RCM Estech investiert in drei Heller-H-6000-Bearbeitungszentren Hochleistungsfräsen geschmiedeter Grossmotoren-Pleuel

Von Matthias Böhm, Chefredaktor SMM

Die 50 Mitarbeiter starke RCM Estech AG in Burgdorf investierte 2018 in drei Heller-H-6000-Bearbeitungszentren zur Serienfertigung von Grossmotoren-Pleueln. Zwei der Heller werden durch ein Fastems-System verkettet, die dritte wird als Stand-alone-BAZ für spezifische Schlichtbearbeitungen genutzt. Beim Werkstoff der Pleuel handelt es sich um hochzähen geschmiedeten Werkstoff, der aufgrund der hohen Zerspankräfte entsprechend extreme Anforderungen an die Stabilität und Prozess­sicherheit der Werkzeugmaschinen hat.

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Auf der Stand-alone-Heller werden hier im montierten Zustand die beiden Augen der Pleuel in IT6-Toleranzfeldern ausgedreht.
Auf der Stand-alone-Heller werden hier im montierten Zustand die beiden Augen der Pleuel in IT6-Toleranzfeldern ausgedreht.
(Bild: Matthias Böhm)

Die RCM Estech AG fertigt Grossmotorenkomponenten eines ausländischen Auftragsgebers seit Jahren im schweizerischen Burg­dorf in Serie. Dabei steht neben Hochleistungszerspanung auch Präzision (IT6-Toleranzfelder) im Fokus. Realisiert wird die zum Teil hoch automatisierte Fertigung auf drei Heller-H-6000-Bearbeitungszentren (BAZ), wovon zwei BAZ mit einem Fastems-System verkettet sind.

Die produktionstechnischen Schwerpunkte

Zur RCM Estech AG: Die 50 Mitarbeiter starke RCM Estech AG konzentriert sich auf vier Technologiesparten: Kommunalbereich (z. B. Bahntechnik), Komponenten für Grossmotorenbau, allg. Maschinenbau und Werkzeugmaschinenbau, mit hoher Kompetenz in der Verzahnungstechnik: insgesamt zehn Verzahnungsmaschinen. Die RCM Estech AG in Burgdorf ist ein Management-Buyout des Landwirtschaftsmaschinen-Herstellers Aebi AG, die nach wie vor ein bedeutender Kunde der RCM Estech AG ist.

Marc Harnisch, Geschäftsleiter der RCM Estech AG, Burgdorf: «Dank unserer breit aufgestellten Produktion sind wir in der Lage, nahezu alle Prozesse inhouse zu fertigen. Vom Sägen über die komplette spanende Bearbeitung inklusive Schleifen und Verzahnungskompetenz verfügen wir über das gesamte Spektrum der Fertigungstechnik. Auch Füge- und Wärmebehandlungsverfahren, Oberflächenstrahlen, Beschichten sowie Lackieren gehören zu unserem Leistungspaket. Unsere hohe Fertigungstiefe liegt sicher in unserer Herkunft begründet.»

Grossmotoren-Pleuel: eine Herausforderung

Zurück zu der Pleuelfertigung; Marc Harnisch: «Wir fertigten bereits seit mehreren Jahren diese Grossmotoren-Pleuel, als unser Kunde 2017 anfragte, ob wir die Produktion hochfahren könnten. Wir sollten neu doppelt so viel Pleuel pro Monat im Dreischichtbetrieb fertigen (200 statt 100). Mit dem bisherigen Maschinenpark wären wir selbst mit der dritten Schicht nicht an diese Produktionsleistung rangekommen. Zudem war die Prozesssicherheit aufgrund der Altersstruktur der bisherigen WZM nicht mehr gegeben. Auch die Produktionskosten mit dem alten Maschinenpark waren zu hoch.» Was also tun? Neue Bearbeitungszentren mussten her.

Anspruchsvoller Fertigungsprozess

Die Fertigbearbeitung eines Pleuels beansprucht zwischen 4 und 6 Stunden, je nach Baugrösse. Bei der Legierung handelt es sich um einen für diese Anwendungen zugeschnittenen Werkstoff, der aufgrund seiner Eigenschaften schwierig zu zerspanen ist und bis 1100 N/mm2 Zugfestigkeit aufweist. Nach der Fertigbearbeitung bringt ein 120-kg-Rohteil noch ca. 70 kg auf die Waage.

Sokol Hakaj, Fertigungsleiter: «Eine zerspanungstechnische Herausforderung ist die Schmiedehaut der Pleuel, wegen ihrer hohen Festigkeit und Härte. Da kann es während des Zerspanungsprozesses immer wieder Überraschungen geben. Es gibt nur wenige Unternehmen, die in der Lage sind, die Pleuel prozesssicher und gleichzeitig wirtschaftlich zu fertigen, nicht zuletzt deshalb ist die Fertigung dieser Pleuel eine Art Königsdisziplin.»

Marc Harnisch: «Wir haben bezüglich der Zerspanung viel Know-how aufbauen können. Die Schmiedehaut der Pleuel wird komplett über den gesamten Umfang des Pleuels abgetragen, um die Oberflächenspannung des Schmiederohlings zu reduzieren.»

Damit die inneren Werkstoffspannungen keinen Einfluss auf Verzug und Lebensdauer haben, werden noch weitere Behandlungsverfahren vor dem Schlichten der Pleuelaugen angewandt, auf die nicht näher eingegangen werden soll.

Die Lösung: FFS mit zwei Heller H 6000 und einer Stand-alone-H-6000

Um die 200 Pleuel in drei Schichten prozesssicher zu fertigen, wurde das Flexible Fertigungssystem (FFS) von Heller mit 20 Paletten spezifisch auf das Aufgabenspektrum ausgelegt. Heller setzt in diesem Zusammenhang – insbesondere bei gross bauenden Komponenten – auf den Systemlieferanten Fastems, der software- wie auch hardwareseitig perfekt auf die Heller-Maschinen zugeschnitten und im Bereich von Palettisierungslösungen gross bauender Werkstücke die Nummer eins in der Fertigungsautomation ist.

Christoph Andris (Verkaufsleiter, Heller Schweiz): «Es geht bei solchen Projekten in erster Linie um Geschwindigkeit – Stichwort Zeitspanvolumen –, Zuverlässigkeit, Prozesssicherheit und natürlich Präzision. Diese Parameter müssen sitzen. Wenn RCM Estech Bauteile aus diesem Werkstoff mit diesen Abmessungen in H6er Toleranzen in Serie fertigen will, dann wissen wir aus unseren bisherigen Erfahrungswerten, dass unsere Heller-Maschinen diesen Herausforderungen gewachsen sind.»

Schlichtbearbeitung der Bohrungen

Die Pleuel bestehen aus zwei Komponenten: dem Pleuelschaft und dem Pleuel­deckel. Die Schnittstelle zwischen Pleueldeckel und Pleuelschaft wird mit einer formschlüssigen Präzisionsverzahnung versehen, um den Sitz zwischen Pleuelfuss- und -deckel formschlüssig zu definieren.

Apropos Verzahnung: Die für die Schlichtbearbeitung genutzte Stand- alone-Heller verfügt zusätzlich noch über eine CBN-Schleifvorrichtung, wo diese Verzahnung präzisionsgeschliffen wird. Nach dem Schleifen der Verzahnungen wird der Pleuel montiert. Die Bohrungsfeinbearbeitung der beiden Pleuelaugen erfolgt im montierten Zustand mittels Ausdrehwerkzeugen.

Sokol Hakaj: «Wie man unschwer erkennt, ist noch eine Menge Handarbeit gefragt, insbesondere bezüglich der Montage-Prozesse und der anschliessenden Schlichtbearbeitungen der Pleuelaugen.»

Verzahnung per CBN-Schleifprozess

Christoph Andris: «Die Integration des CBN-Schleifprozesses zeigt, dass RCM Estech über ein ausgezeichnetes Prozess-Know-how verfügt. Eine solche Anwendung habe ich bisher nicht gesehen auf unseren Heller-Maschinen.»

Sokol Hakaj: «Da kommt uns sicher unsere langjährige Erfahrung in der Zahnradfertigung entgegen. Wir kennen die Schleif-Zyklen und -Prozesse, natürlich verfügt eine Fräsmaschine nicht über die Schleifzyklen einer Verzahnungsmaschine, aber wir wissen, was wir programmieren müssen.»

Hochsteife HSK-100-Schnittstelle

Mitentscheidend bei der Hochleistungsbearbeitung der geschmiedeten Komponenten ist die Maschine-Werkzeug-Schnittstelle. Mit dem Hohlschaftkegel HSK-A 100 kann die volle Leistung der Spindel auf das Werkzeug übertragen werden. Dank der stirnseitigen Plananlage des HSK sowie den grossen Fügeflächen verfügt diese Schnittstelle nicht nur über eine enorme Steifigkeit, sondern auch über eine exzellente Dämpfung im Rahmen des Bearbeitungsprozesses.

Sokol Hakaj: «Beides – Steifigkeit und Dämpfung – sind sehr wichtige Faktoren, um eine hoch prozesssichere Fertigung zu gewährleisten. Die Zerspankräfte sind enorm, entsprechend müssen sie über die Schnittstelle von der Spindel auf das Werkzeug ohne Kompromisse übertragen werden. Letzten Endes erhöhen sich dank der ausreichenden Dimensionierung die Standzeiten der Werkzeuge, die Oberflächengüte wie auch die Präzision am Werkstück.»

Hochleistungsspindel: Spindel made by Heller

Zur Hauptspindel: Generell stehen bei der Heller H 6000 fünf verschiedene Spindelsysteme zur Auswahl. Von 43 bis 60 kW und Maximaldrehzahlen von 6000 bis 13 000. Die Drehmomente liegen je nach Spindelwahl und Auslegung zwischen 228 Nm und 2292 Nm (2292 Nm mit integriertem 4-stufigem Getriebe). Die RCM Estech AG hat auf die PC-100-Power-Cutting-Spindel mit 8000 1/min, 43 kW, 822 Nm gesetzt, die auf die zu bearbeitenden Komponenten ideal zugeschnitten ist.

Heller fertigt die Spindeln nach wie vor in Eigenregie, wie Christoph Andris betont: «Das ist eine der Stärken von Heller. Man sagt nicht umsonst, die Spindel ist das Herz der Werkzeugmaschine, entsprechend wichtig ist es, dass wir diese Kompetenz inhouse haben. Das macht sich auch bei der modularen Konzeption der H 6000 positiv bemerkbar.»

Nullspindelsystem

Eine Besonderheit bei Heller ist, so Christoph Andris, das sogenannte «Nullspindelsystem». Ähnlich einer Nullpunktspannung, setzt Heller auf das «Nullspindelsystem», das den Austausch der Spindel im Formel-1-Tempo ermöglicht, weil aufgrund der auf Nullmass ausgerichteten Spindeln kaum Aufwand beim Einrichten der neuen Spindel betrieben werden muss.

Christoph Andris: «Unsere Nullspindeln lassen sich in weniger als 2 Stunden tauschen, da nur der mechanische Teil ersetzt werden muss. Der Motor bleibt. Ergo sparen unsere Kunden im Lebenszyklus einer Spindel etwa 30 Prozent der laufenden Kosten gegenüber klassischen Motorspindeln. Dabei sind die kürzeren Stillstandzeiten noch gar nicht eingerechnet. Eine solche Maschinenkonzeption kommt vielen unserer Kunden gelegen. RCM Estech verfügt über eine eigene In­standhaltung. Genau hier setzt Heller an, wir machen es unseren Kunden so einfach wie möglich, die Maschinen in Eigenregie zu warten.»

Marc Harnisch: «Selbst, wenn wir es nicht inhouse machen würden, hat es Vorteile, weil die Heller-Monteure einen Spindeltausch extrem schnell realisieren können. Das sind Punkte, die heute immer wichtiger werden, vor allem, wenn die Maschinenauslastung hoch ist und wir praktisch keine Fertigungskapazitäten vorrätig haben. Solche Aspekte dürfen nicht vernachlässigt werden. Generell macht Heller im Bereich des Service einen ausgezeichneten Job.»

Christoph Andris: «Wir kennen die hohen Ansprüche an die Maschinenverfügbarkeit. Das liegt sicher auch daran, dass viele unserer Kunden mit Palettisierungen arbeiten, die Maschinen intensiv auslasten. Da bleibt für Service wenig Zeit. In den knappen Zeitfenstern müssen wir die Maschinen wieder auf Vordermann bringen. Ein Unternehmen wie RCM Estech mit der Inhouse-Instandhaltung kann sich idealerweise auch eine Spindel auf Lager legen. Dann kann man im Fall eines Spindelausfalls oft noch am gleichen Tag weiterproduzieren.»

Werkzeugmanagement

Schliesslich noch ein Blick auf die Werkzeugspeicher. Seitens der Werkzeugspeicher wurde bei den beiden verketteten Heller H 6000 auf je 265 Werkzeugplätze (Regalmagazin) gesetzt. Die Stand-alone-​Heller verfügt über ein 150er Ketten-Magazin.

Sokol Hakaj: «Damit sind für alle Eventualitäten genügend Werkzeugkapazitäten vorhan­den. Sollte sich das Werkstückspektrum erweitern, oder sollten wir zukünftig mannlose Schichten fahren, haben wir genügend Platz vorrätig. Ein grosser Werkzeugspeicher bringt eine höhere Bearbeitungsflexibilität und zum anderen können Schwesterwerkzeuge bei Werkzeugbruch integriert werden und erhöhen die Maschinenauslastung.»

Fazit: Perfekt zugeschnittene Fertigungslösung

Nach mittlerweile über drei Jahren Betriebszeit bestätigen die RCM-Estech-Verantwortlichen: «Bei den Heller-Maschinen stimmt alles: Maschine, Automation, Peripherie und Service. Es wurden im Vorfeld verschiedene Werkzeugmaschinen evaluiert. Jeder WZM-Hersteller verfügt über spezifische Stärken. Generell muss hier hervorgehoben werden, dass aufgrund des sehr anspruchsvollen Werkstoffs mit 1100 N/mm Zugfestigkeit, der Schmiedehaut und dem relativ hohen Spanvolumen von 5 Litern (40 kg) pro Pleuel nur eine Maschine mit sehr hoher Grundsteifigkeit in Frage kam. Hinzu kommen weitere Aspek­te, wie Wiederholgenauigkeit, Präzision und letztlich die Möglichkeit der Palettisierung.»

Auf die Frage, ob sie den Entscheid in der Art jederzeit wieder fällen würden, antwortet Marc Harnisch: «Unsere Vorgänger haben sich für das Flexible Fertigungssystem von Heller in Verbindung mit Fastems entschieden, da hatten wir keinen Einfluss drauf. Wir können aber heute sagen, dass wir nicht anders entschieden hätten. Das Heller-FFS verfügt über höchste Zuverlässigkeit, alle notwendigen Fertigungsoperationen können in der gebotenen Geschwindigkeit (Stichwort Zeitspanvolumen) und in der geforderten Präzision gefertigt werden. Wir fahren praktisch keinen Ausschuss – trotz H6er Toleranzfeldern und nicht klimatisierter Halle. Das muss man erst einmal schaffen, bei diesem Werkstoff. Da haben wir definitiv in die richtige Systemlösung investiert.»

SMM

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