SMM Kongress 2022 – Swissmechanic Nicht starr am Prozess festhalten
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Andreas Kaiser ist Geschäfts- und Produktentwickler, spezialisiert auf Innovationsmanagement und Projektarbeit mit interdisziplinären Teams und agilen Methoden. Er ist im Ostschweizer Innovationsnetzwerk INOS als Kontaktperson der kantonalen Anlaufstellen Industrie- und Technozentrum Schaffhausen (ITS) sowie Thurgauer Technologieforum (TTF) tätig.

Andreas Kaiser, was macht eigentlich ein Innovationsmanager/eine Innovationsmanagerin?
Andreas Kaiser: Er/Sie beschäftigt sich erstens damit, was sein wird, also mit Trends und mit der Zukunft. Das tut er/sie global (Megatrends), aber auch ganz konkret auf die Branche bezogen, in der er/sie tätig ist. Der zweite Punkt ist ganz wichtig: Er/Sie beschäftigt sich damit, welche Kundenbedürfnisse mit dem bestehenden Produkt noch nicht abgedeckt werden und orchestriert entsprechende Marktforschung. Als Drittes beobachtet er/sie, welche Technologien sich entwickeln und welche dieser Technologien neue Chancen für die Branche und unternehmenseigene Produkte bieten. Aus diesen drei Bereichen der Informationsbeschaffung versucht er/sie Schlüsse zu ziehen, um ein neues Produktprofil zu erstellen, mit dem auf dem Markt eine Alleinstellung für die Firma unter den Wettbewerbern möglich ist. Basierend darauf kann dann das Produkt entwickelt werden. Innovationsmanager/innen, die so bezeichnet werden, gibt es bei mittelgrossen bis grossen Firmen. Oft nimmt der/die Produktmanager/in diese Funktion wahr. In kleinen Firmen ist es die Geschäftsleitung, meistens die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer höchstpersönlich. Wichtig ist: Innovationsnetzwerke wie INOS können KMU bei dieser Tätigkeit unterstützen. Dies geschieht auf unterschiedlichen Ebenen: mit Gedankenanstössen in direkten Beratungsgesprächen, der Vermittlung von Methoden an Veranstaltungen oder von Netzwerkpartner/innen und eventuell auch von Finanzierungshilfen. Diese nützlichen Hilfestellungen sind meist kostenlos. Aber die Schlüsse ziehen, die Essenz herausfiltern und die Erkenntnisse für die eigenen Produkte gewinnen, muss das Unternehmen selbst.
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Was ist das Wichtigste bei einem Innovationsprozess?
A. Kaiser: Am einfachsten ist der Ansatz, sich mit dem Bedürfnis seiner Zielgruppe vertieft zu beschäftigen. Zu dieser, den Kunden und ihren Bedürfnissen, hat man oft einen guten Zugang und man kann sie im Erfolgsfall mit erweiterten Produkten oder Dienstleistungen bedienen. Sehr technologieorientierte Firmen entdecken und entwickeln oft eine neue Technologie und fragen sich dann erst, was sie damit an Nutzen stiften können. Dieser Ansatz ist schwieriger, denn man muss ein passendes Kundenbedürfnis finden und danach neue Kundenfelder erschliessen. Beide Ansätze sind aber valabel und durchaus erfolgversprechend. Wichtig ist weiter die Einstellung – wie man auf neue Themen eingeht. Es braucht Offenheit und zeitliche sowie finanzielle Freiräume, die man sich für die Entwicklung von Innovationen geben sollte, beispielsweise indem man qualifizierte Mitarbeitende einen Tag pro Woche dafür freistellt. Bei KMU sind in der Regel alle im Tagesgeschäft ausgelastet, sodass oft die Freiräume zu kurz kommen. Diese sind für kreative Ideen wichtiger als der Prozess an sich. Man sollte zudem nicht starr am Prozess festhalten und ein Thema, das aufkommt, aufnehmen, auch wenn es nicht 1 zu 1 in den Prozess passt. Ansonsten läuft man Gefahr, die spannendsten Ansätze zu verpassen.
Was gibt es für KMU, die keinen eigenen Innovationsmanager bzw. keine eigene Innovationsmanagerin haben, für Möglichkeiten, einen Innovationsprozess zu lancieren?
A. Kaiser: Etwas vom Wichtigsten ist, als Firma eine Vision zu haben, wie man die Welt in der Zukunft sieht und was der eigene Beitrag zu dieser Welt ist. Wenn ich formuliere, wie es sein soll, gebe ich den Leuten gegen innen und gegen aussen einen Kompass, wo es hingeht. Das Unternehmen kann sich an der Vision ausrichten, denn als Akteur überlegt man sich dann üblicherweise automatisch: Zahlt meine Aktivität oder meine Entscheidung auf die Vision ein oder ist sie gar kontraproduktiv? Damit gebe ich vor, in welchen Bereichen ich innovieren möchte. Das ist nicht aufwendig, aber effizient. Wenn die Vision da ist, muss man sich intensiv mit den Kundenbedürfnissen (im Zusammenhang mit dieser Vision) beschäftigen und ein entsprechendes Produktprofil erstellen – ich wiederhole mich. Das heisst also, zuerst muss ich wissen, WAS ich mache, um die Alleinstellung zu erreichen, und dann erst, WIE ich es mache, also die Produktentwicklung. KMU können sich dafür Hilfe holen und sich bei regionalen Innovationssystemen wie INOS beraten und von ihnen verlinken lassen.
Gibt es ein Hilfsmittel, ein Tool, das Sie KMU empfehlen können?
A. Kaiser: Es gibt viel Literatur, vor allem aus dem anglofonen Sprachraum, aber auch aus der Schweiz. Da kann ich Prof. Oliver Gassmann von der HSG oder auch Jean-Philippe Hagmann empfehlen. Es ist allerdings nicht einfach, effektive Methoden zielgerichtet und effizient einzusetzen. Das braucht einige Erfahrung. Ich empfehle, sich die erwähnten Anlaufstellen zunutze zu machen. Bei INOS ist die Anlaufstelle mit Erstberatung für Firmen kostenlos. Auch weiterführende Angebote wie Vermittlungen, Veranstaltungen, Coachings etc. sind gefördert. Generell können sich KMU beim jeweiligen Amt für Wirtschaft oder bei der Wirtschaftsförderung ihres Kantons nach Innovations-Förderinstitutionen in ihrer Region erkundigen. Man sollte sich aber aufgrund der Vielfalt nicht davor scheuen, einfach loszulegen und verschiedene Tools auszuprobieren – man lernt dabei, was anwendbar ist und was nicht. Eine praxisnahe Toolbox findet sich zudem auf der Website des IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering der Fachhochschule OST in St. Gallen.
Im Innovations-Epizentrum Silicon Valley gilt die Regel: Nur wer richtig auf die Nase gefallen ist, kann erfolgreich sein. Die beste Lektion sei, Misserfolge am eigenen Leib zu erfahren. Wie lassen sich aus gescheiterten Vorhaben wertvolle Erkenntnisse ziehen?
A. Kaiser: Ein Scheitern zu analysieren und daraus zu lernen, ist immer vorteilhaft und macht einen stärker. Es mag trivial erscheinen, aber genau so lernen kleine Kinder sehr erfolgreich. Heute gilt unter Expertinnen und Experten die Auffassung, möglichst schnell mit Ideen zu scheitern, sei eine effiziente Art, Innovation zu betreiben. Das erreicht man, indem man immer die Annahme zuerst bearbeitet, welche das grösste Risiko birgt. So erkennt man frühzeitig, ob Ideen ein Potenzial haben, und vergeudet nicht unnötig Zeit und Geld. Scheitern ist in diesem Zusammenhang ein positiver Aspekt, der einen effizient macht. Das machen die Firmen im Silicon Valley gut, während in der Schweiz Scheitern im Zusammenhang mit einer Firmengründung oder auch auf Projektebene noch oft negativ behaftet ist. Letztere Einstellung löst sich jedoch langsam auf. Man muss dabei allerdings erwähnen, dass es in produzierenden KMU mit grösseren Risiken verbunden ist, Ideen umzusetzen, als bei digitalen Technologien und Geschäftsmodellen, wie sie im Silicon Valley vorherrschen. Bei physischen Gütern ist Scheitern schmerzhafter, weil grössere Vorinvestitionen nötig sind, z. B. in Produktionsprozesse, Materialien und Werkzeuge.
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Schweizer Geschäftsklima im Aufwind
- Das Interview ist in der Mitgliederzeitschrift «Journal» von Swissmechanic erschienen. SMM
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