SMM Kongress 2021: Open Mind - Additiv und subtraktiv fertigen CAM-Prozesse optimieren Implantate
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Dank 3D-Druck lassen sich individuelle Implantate mit neuen Formen auch aus Werkstoffkombinationen fertigen. Sie erfordern allerdings nach wie vor eine Nachbearbeitung. Mit der CAM-Software hypermill können sämtliche Fertigungsschritte wirtschaftlich programmiert und realisiert werden.

Die Anatomie des Menschen erlaubt generische Ansätze. Doch die einzelne Patientin, der einzelne Patient braucht individuelle Lösungen. Prothesen und Implantate mussten daher immer erst hergestellt und dann angepasst werden. Dies generiert nicht nur zusätzlichen Aufwand, sondern kann auch nachteilig wirken. Ein Beispiel: Bisher wurden Standardknochenplatten oft manuell verformt, um sie anzupassen. Dabei aber entstehen im Biegebereich erhöhte Spannungen, die das Implantat schwächen. Bei stark beanspruchten Implantaten, zum Beispiel Kieferplatten, kann die Verformung zu einer kürzeren Lebensdauer des Implantats führen.
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Der 3D-Druck von Metallkomponenten eröffnet hier neue Möglichkeiten, Implantate bereits individuell angepasst zu fertigen. Durch generative Designtools lassen sich Formen entwickeln, die in Stabilität und Gewicht optimiert sind. Es ist auch möglich, spezielle Oberflächentexturen zu erstellen, die das Einwachsen des Gewebes verbessern. Als zusätzlicher Vorteil gelten die Möglichkeiten erweiterter Werkstoffkombinationen. Durch das Mischen der als Pulver aufgetragenen Metalle sind neue Legierungen und Kombinationen an Metallen möglich. Bestehen zum Beispiel die Kontaktflächen aus einem entsprechenden Werkstoff, kann man besonders hohe Verschleissfestigkeiten verwirklichen. Das betrifft beispielsweise Knieimplantate.
Vom NC-Programm zum Implantat
Individuelle Implantate, «Ersatzteile», müssen individuell programmiert werden. Ob ein Bauteil aus einem Rohling herausgefräst oder schichtweise erzeugt wird, stets muss eine Konstruktion in (optimierte) Werkzeugwege umgewandelt werden. Die CAD/CAM-Suite hypermill von Open Mind kann dies für 5-Achs-Fräszentren genauso wie für Maschinen der additiven Fertigung, die mit dem Direct-Energy-Deposition-Verfahren (DED) oder mit dem Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) arbeiten. Wichtig ist, dass das Software-System Funktionen für die Standardisierung und Automatisierungslösungen für die Erstellung des NC-Programms beinhaltet. CAM-Programmieraufgaben innerhalb einer Teilefamilie, zum Beispiel Bohren, Schruppen und Schlichten oder Gravieren, sind oft ähnlich. Die Knochenplattensysteme, die für die Stabilisierung und Reparatur von Frakturen oder für Rekonstruktionen nach Krebsoperationen dienen, unterscheiden sich oft wenig. Wiederkehrende, gleiche Aufgaben können in der CAD/CAM-Software standardisiert und automatisiert werden. Die Software erkennt Features, also automatisch genutzte Geometrie- sowie Fertigungsinformationen aus dem CAD-Modell, und hält Programmiervorlagen, sogenannte Makros, bereit, mit denen die Programmierung schneller von der Hand geht, etwa wenn eine Prothese vom CT-Scan eines Knochens abgeleitet werden soll.
Ein CAM-Prozess für beide Verfahren
Additiv erzeugte Bauteile müssen nahezu immer nachbearbeitet werden. Im Pulverbettverfahren werden stützende Hilfskonstruktionen benötigt, die anschliessend entfernt werden müssen. Die Bauteile werden in der additiven Technik schichtweise erstellt. Das sieht man ihren Oberflächen an. Glatte Oberflächen erreicht man erst in der zerspanenden Nachbearbeitung. Hybride Maschinen ermöglichen heute eine Kombination aus additiver und subtraktiver Bearbeitung. Um die NC-Codes für solche Maschinen zu programmieren, Werkzeugwege zu optimieren und zur Kollisionsvermeidung vorab zu simulieren, ist ein CAM-System ideal, das in beiden Welten zu Hause ist. Noch wichtiger ist aber ein ausgeklügeltes CAD/CAM-System wie hypermill, wenn auf unterschiedlichen Maschinen additiv und subtraktiv gefertigt wird.
Bauteil auf Tastendruck ausrichten
Eine grosse Herausforderung war bisher, ein 3D-gedrucktes Bauteil im Arbeitsraum eines Fräszentrums so ein- und auszurichten, dass es zum NC-Programm der Maschine passt. Das Bauteil wird mit Messuhr, Steuerungszyklen und viel Feingefühl ausgerichtet. Pointiert formuliert: Man passt die reale Aufspannung an die virtuelle Welt der Programmierung an. Dieser zeitaufwendige Prozess muss oft mehrmals wiederholt werden und ist mit Unsicherheiten und Risiken behaftet. Dies umso mehr, als ja nicht etwas aus einem grosszügig dimensionierten Rohling gefräst wird, sondern aus einem Bauteil, das bis auf kleine Unebenheiten bereits dem gewünschten Endprodukt entspricht.
Datenmodell und Aufspannung in Einklang bringen
Die innovative Funktion Best Fit in der CAD/CAM-Software hypermill sorgt beim Aufspannen für höchste Prozesssicherheit. Sie richtet das Bauteil automatisch aus. Mit einer 3D-Messung wird der nicht ausgerichtete Rohling auf der Maschine angetastet, das Messprotokoll wird an das CAM-System gesendet. Die Software passt den NC-Code an die reale Bauteilposition an. Anders gesagt: Die virtuelle Welt (Programmierung) wird somit an die reale Welt (Aufspannung) angepasst – nicht umgekehrt! Der korrigierte NC-Code wird dann in der virtuellen Maschine anhand der tatsächlichen Aufspannsituation simuliert und automatisch optimiert. Im Gegensatz zu bisherigen Lösungsansätzen ändert die Funktion Best Fit nicht den Nullpunkt an der Steuerung und erzeugt hundertprozentig kollisionsgeprüfte Werkzeugwege.
Effizient fertigen
Die Möglichkeiten, mithilfe additiver Fertigung patientenindividuelle Implantate und Prothesen zu fertigen, sind Chance und Herausforderung zugleich. Da jedes Bauteil nun eine Einzelanfertigung ist, muss die Programmierung der maschinellen Herstellung möglichst effizient sein und einen durchgängigen Prozess ohne Fehlerquellen ermöglichen. Dazu ist ein CAD/CAM-System nötig, das Arbeitsschritte vor allem dort automatisiert, wo das Datenmodell der Konstruktion und die reale Bearbeitungssituation auseinanderzulaufen drohen.
SMM
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