Automobilbranche Die Top-Chancen und Gefahren für die Automobillogistik
Eine angespannte Situation im globalen Handel, ein ständiger Kostendruck und das Aufkommen neuer Technologien – Akteure in der Automobillogistik stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Wie geht es der Branche damit und worauf sollten Logistiker jetzt achten, um auch noch in Zukunft erfolgreich zu sein?
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Von A wie Airbag bis Z wie Zahnriemen – ein durchschnittliches Auto besteht heute aus etwa 10.000 Teilen. Dafür zu sorgen, dass jedes einzelne zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den anderen zusammenkommt, klingt nach einer Mammutaufgabe. Wenn dann aber noch drohende Handelskriege, sich stetig ändernde Kundenanforderungen und ein immer härterer Wettbewerb dazukommen, gerät die Automobillogistik wirklich ins Schwitzen. Mit Prof. Dr. Korne, Professor für Internationales Logistikmanagement an der HTW Saar, haben wir darüber gesprochen, wie die Branche diese Quadratur des Kreises trotzdem schaffen kann und auf welche Trends Logistiker dabei setzen sollten.
Herr Prof. Dr. Korne, wenn Sie benoten müssten, wie gut es der Automobillogistik momentan geht, was würden Sie geben?
Korne: Verglichen mit der Situation direkt nach der Finanzkrise 2008 geht es den meisten deutschen Herstellern bei Umsatz und Gewinn heute viel besser. Aber durch den zunehmenden Protektionismus der Vereinigten Staaten mit Strafzöllen und Vergeltungszöllen gibt es derzeit eine Verschiebung der Handlungsfelder. Darüber hinaus entstehen durch die Digitalisierung und neue Technologien weitere Risiken, aber auch Chancen für die Branche. Ich bleibe deswegen erst mal optimistisch und fälle das Urteil „befriedigend“.
Dieses Video erklärt Ihnen einfach, was man unter Protektionismus versteht und wie eine Protektionismusspirale sogar zu einer Weltwirtschaftskrise führen kann!
Ist das angesichts zunehmender Spannungen im Welthandel und sogar drohender Handelskriege nicht eine viel zu positive Einschätzung?
Korne: Diesen Eindruck könnte man auf den ersten Blick sicherlich gewinnen. Auf den zweiten Blick sollte man aber auch erkennen, dass, wie nach der Finanzkrise, der Druck zur Veränderung auch immer ein Anstoß für Verbesserungen ist.
Viele deutsche Hersteller, die in den USA produzieren – beispielsweise Daimler und BMW – müssen natürlich jetzt über eine Umstrukturierung im Lieferanten- und Produktionsnetzwerk nachdenken. Man sollte das aber eigentlich als Chance begreifen, die eigenen Logistik- und Fertigungsprozesse noch einmal grundlegend neu aufzusetzen.
Wäre es prinzipiell nicht einfacher und wünschenswerter für Unternehmen gewesen, sich in einer gewohnten Geschwindigkeit weiterzuentwickeln?
Korne: Wenn wir ehrlich sind, ist „so weitermachen wie bisher“ in der Automobilbranche ohnehin keine Option mehr. Die Volatilität der Märkte hat inzwischen schon so zugenommen, dass Lieferanten ihre Supply Chain permanent neu überdenken und Hersteller ihr Angebot kontinuierlich anpassen müssen. Mehr denn je sind in der Industrie deshalb flexible und dynamische Konzepte gefragt. Gleichzeitig werden auch Kriterien wie Liefertreue und Durchlaufzeiten immer wichtiger.
Und noch einer weiteren Herausforderung müssen Automobilproduzenten und -logistiker heute flexibler begegnen als noch vor einigen Jahren: dem steigenden Wettbewerbsdruck durch Unternehmen aus dem asiatischen Raum. Diese produzieren deutlich billiger als Anbieter hierzulande und bringen uns zunehmend auch in Sachen Qualität in Bedrängnis. „Made in Germany“ ist zwar noch ein herausgehobenes Qualitätskriterium, daran wird aber schon kräftig gerüttelt. Wir sehen das vor allem im niedrigeren Preissegment, beispielsweise an Hyundai, das deutsche Produzenten wie Opel und VW immer mehr in die Zange nimmt.
Verschärfen neue Technologien diese Situation nicht noch zusätzlich?
Korne: Auf jeden Fall! Denken wir nur mal ans autonome Fahren. Wer will in der Großstadt noch ein Auto besitzen, wenn es in ein paar Jahren selbstfahrende Taxis gibt? Vor allem in diesem Segment wird es deshalb einen extremen Preiskampf geben. Da müssen sich Automobilhersteller und -logistiker etwas einfallen lassen und die entsprechenden Voraussetzungen in der Produktion und im Supply Chain Management schaffen.
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Und wie soll das konkret gehen?
Korne: Die Automation der Produktionslogistik bietet ein großes Potenzial. Neben fahrerlosen Transportsystemen müssen Gesamtlösungen mit automatisiertem Umschlag entwickelt werden. Die Digitalisierung bietet darüber hinaus viele Möglichkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung. Durch die Veredelung relevanter digitaler Informationen gelingt es Unternehmen, Lieferketten zu optimieren, Entscheidungsfindungen zu vereinfachen und weitere Effizienzpotenziale zu heben.
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Wie weit ist die Automobillogistik in Sachen Digitalisierung überhaupt?
Korne: Viele Systeme rechnen sich momentan leider noch nicht. Allerdings gibt es auch schon eine Reihe guter Lösungsansätze. So hat man in der Automobillogistik an einigen Stellen Assistenzsysteme etabliert, um Lieferketten zu kontrollieren und transparenter zu machen. Im Bereich des High-Performance-Computing wird außerdem zu Anwendungen in der Logistik geforscht. Das sorgt dafür, dass Lieferketten überschaubarer werden und die Logistik sich zunehmend rechnet.
Zusammengefasst ist die Branche also auf dem richtigen Weg – trotz eines immer härteren Wettbewerbs und einer weltweit angespannten Handelslage. Wichtig ist es jetzt aber, dass sich die deutsche und europäische Automobilindustrie schnell und nachhaltig an die aktuelle Situation anpasst. Nur so bleibt die Branche auch in Zukunft international erfolgreich!
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