Marketing-Gleichung für B2B – Teil 1 Marketing – die Stiefmutter aller betrieblichen Funktionen

Autor / Redakteur: Prof. Dr. Dirk Lippold / Annika Lutz |

Ob bei der Vermarktung von Roh- und Betriebsstoffen, technischen Anlagen oder Beratungsleistungen, Marketing ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Viele fokussieren sich allerdings ausschliesslich auf das Branding, also auf eine gut eingeführte Marke. Das ist aber zu kurz gegriffen. Marketing und Vertrieb sind entscheidende Faktoren eines erfolgreich operierenden Unternehmens.

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Das Marketing wird im B2B oft stiefmütterlich behandelt – und das obwohl es zusammen mit dem Vertrieb einen der entscheidenen Erfolgsfaktoren darstellt.
Das Marketing wird im B2B oft stiefmütterlich behandelt – und das obwohl es zusammen mit dem Vertrieb einen der entscheidenen Erfolgsfaktoren darstellt.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Da heutzutage immer mehr marktstrategische Themen am eigentlichen Marketingmanagement vorbeigehen und stattdessen von speziell eingerichteten Stabsabteilungen, Strategieberatern, Inhouse Consultants, Task Forces oder gar von der Geschäftsführung selber verfolgt werden, bietet die Marketing-Gleichung eine neue, frische Perspektive für das Marketing als Erfolgsfaktor.

Ergänzendes zum Thema
Warum eine siebenteilige Serie über das B2B-Marketing?

Warum hat das Marketing im B2B-Sektor eigentlich so abgewirtschaftet und warum steht der Vertrieb so glänzend da? Warum ist der Vertriebsbereich regelmäßig im Vorstand oder in der Geschäftsführung vertreten und das Marketing nur ganz selten? Warum wird das Marketing eigentlich so stiefmütterlich behandelt? Ganz einfach, weil es das B2B-Marketing in den allermeisten Fällen nicht über den Status einer Werbeabteilung hinausgebracht hat!

Mit unserer siebenteiligen Serie über das B2B-Marketing wollen wir es aus dem Dornröschenschlaf erwecken und aufzeigen, wie das Marketing mit seiner Denkhaltung dem Unternehmen und sich selber nicht nur helfen, sondern auch entscheidende Impulse verleihen kann. Rückenwind und eine frische Perspektive gibt dabei die Anwendung der Marketing-Gleichung als zukunftsweisendes Denk- und Handlungskonzept.

Die Marketing-Gleichung hebt nicht nur auf die Initialzündung bei der Auftragsvergabe ab, sondern sie betrachtet neben den strategischen Marketingaktivitäten – wie Segmentierung und Positionierung als Grundlage der Kommunikation mit dem Kunden – auch die vertrieblichen Aktivitäten – wie das erfolgreiche Akquisitionsgespräch und die Kundenbetreuung.

Die Anwendung der Marketing-Gleichung für B2B liefert dementsprechend Aussagen über...

  • Kundennutzen und Kundenvorteil im B2B-Zielsegment
  • die Segmentierung des Kundenmarktes
  • die wirkungsvolle Positionierung in den ausgewählten Zielsegmenten
  • den Einsatz der klassischen Kommunikationsinstrumente
  • den Einsatz der digitalen Kommunikationsinstrumente
  • Vertriebsstrukturen im B2B-Sektor
  • die Effektivität und Effizienz von Akquisitionsprozessen im B2B-Geschäft
  • einen nachhaltigen Betreuungsprozess der gewonnenen Kunden.

Wertschöpfung und Wettbewerbsvorteil als Grundideen der Marketing-Gleichung

Die Idee der Marketing-Gleichung beruht auf zwei Grundüberlegungen: Zum einen ist es die Darstellung und Analyse der Marketing-Wertschöpfungskette, zum anderen ist es die Erkenntnis, dass der Wettbewerbsvorteil massgebend für die Unternehmensexistenz ist. Schon der bedeutendste Marketing-Theoretiker des 20. Jahrhunderts, der Amerikaner Wroe Alderson, hat konstatiert, „dass kein Unternehmen in einen Markt eintritt, wenn es nicht die Erwartung hat, einen gewissen Vorteil für seine Kunden bieten zu können“.

Nahezu jeder Marketer ist in seinem Berufsleben mindestens einmal dazu aufgefordert worden, für sein Unternehmen ein Marketing-Konzept oder – etwas anspruchsvoller – eine Marketing-Strategie zu entwickeln. Solch ein „Entwurf“ lässt sich deutlich leichter angehen, wenn man über einen vernünftigen Handlungsrahmen – also eine Gliederung – verfügt, der den geforderten Marketing-Prozess schrittweise aufführt, in seine wichtigsten Prozessphasen zerlegt und zugleich die Voraussetzung für eine Optimierung der angestrebten Marketing-Ziele schafft.

Die beiden Pole der Marketing-Gleichung

Zentrales Ziel des Marketings muss es sein, die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürfnisse vorhandener und potenzieller Kunden auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser Vorteile sind das Produkt- und Leistungsportfolio, die besonderen Fähigkeiten, das Know-how und die Innovationskraft, kurzum, die fachlichen oder technischen Wettbewerbsvorteile und damit das Akquisitionspotenzial des Unternehmens. Dieser Wettbewerbsvorteil (an sich) ist aber letztlich ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass der Wettbewerbsvorteil auch von den Kunden wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Markt sichert den nachhaltigen Gewinn. Genau diese Lücke zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Markt honorierten Wettbewerbsvorteil gilt es zu schliessen. Damit sind gleichzeitig auch die beiden Pole aufgezeigt, zwischen denen die Marketing-Wertschöpfungskette einzuordnen ist. Eine Optimierung des Marketingprozesses führt somit zwangsläufig zur Schliessung dieser Lücke.

Elemente und Aufbau der Marketing-Gleichung

Voraussetzung für die angestrebte Optimierung ist, dass der Marketingprozess in seine Prozessphasen zerlegt wird und diese jeweils einem zu optimierendem Kundenkriterium zugeordnet werden:

  • Segmentierung zur Optimierung des Kundennutzens
  • Positionierung zur Optimierung des Kundenvorteils
  • Kommunikation zur Optimierung der Kundenwahrnehmung
  • Vertrieb beziehungsweise Distribution (zur Optimierung der Kundennähe)
  • Akquisition zur Optimierung der Kundenakzeptanz
  • Betreuung zur Optimierung der Kundenzufriedenheit

Entsprechend lässt sich folgende Gleichung im Sinne einer Identitätsbeziehung ableiten:

Wettbewerbsvorteil (an sich) + Kundennutzen + Kundenvorteil + Kundenwahrnehmung + Kundennähe + Kundenakzeptanz + Kundenzufriedenheit = Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil

Abbildung 1 veranschaulicht den ganzheitlichen Ansatz der Marketing-Gleichung, in dem sie die Prozessphasen in einen zeitlichen und inhaltlichen Wirkungszusammenhang stellt.

Abbildung 1: Marketing-Prozessphasen.
Abbildung 1: Marketing-Prozessphasen.
(Bild: Dirk Lippold)

Keine mathematisch-deterministische Begriffsauslegung

Es geht aber nicht um eine mathematisch-deterministische Auslegung des Begriffs „Gleichung“. Angestrebt wird vielmehr der Gedanke eines herzustellenden Gleichgewichts (und Identität) zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Kunden honorierten Wettbewerbsvorteil. Mit anderen Worten, hinter dieser Begriffsbildung steht die Überlegung, dass das Gleichgewicht durch die Addition der einzelnen, an Kundenkriterien ausgerichteten Prozessphasen erreicht werden kann. Zur Veranschaulichung dieser Gleichgewichtsbeziehung dient die in Abbildung 2 vorgenommene Darstellung in Form einer Waage.

Abbildung 2: Marketing-Waage.
Abbildung 2: Marketing-Waage.
(Bild: Dirk Lippold)

Mit der Marketing-Gleichung liegt ein praxisorientierter Ansatz vor, der auf eine (mehr theoretische) Trennung von Strategie und Mix verzichtet, gleichwohl aber ein Vorgehensmodell und einen Handlungsrahmen für die zielgerichtete Massnahmenplanung und den entsprechenden Mitteleinsatz darstellt. Auf dem Fundament der Marketing-Gleichung werden für jede Prozessphase die entscheidenden Aktionsparameter und Werttreiber sichtbar gemacht. Gleichzeitig zeigt die Marketing-Gleichung sehr deutlich, welche Wertschöpfungsphasen aus organisatorischer Sicht dem Marketingmanagement und welche dem Vertriebsmanagement zugerechnet werden (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Systematik der Marketing-Gleichung
Abbildung 3: Systematik der Marketing-Gleichung
(Bild: Dirk Lippold)

Danach sind die Phasen Segmentierung und Positionierung organisatorisch dem strategischen Marketing und die Phase Kommunikation dem operativen Marketing zuzuordnen. Die Phasen Vertrieb, Akquisition und Betreuung sind dagegen Domänen des Vertriebsmanagements.

* Erfahren Sie im zweiten Teil der „Marketing-Gleichung“, wie richtige Segmentierung den Kundennutzen optimieren kann.

Dieser Artikel ist stammt von unserem Partnerportal marconomy.de

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