Weltweit grösste Richtmaschine Spannungsfrei auf 4000 Millimeter Breite
Die weltweit grösste Richtmaschine wird 2021 von einer chinesischen Werft für den Schiffbau eingesetzt: Entwickelt und gebaut hat sie die schweizerische Haeusler AG in Duggingen. Die Maschine richtet erstmals bis zu 4000 Millimeter breite und bis zu 120 Millimeter dicke Stahlbleche. Auch bei dieser XXL-Maschine vertraut der Weltmarktführer auf langlebige Hydraulik von Bosch Rexroth.
Anbieter zum Thema

Eigentlich sieht es ganz simpel aus, ein Schiff zu bauen: Auf einem Skelett oder in Sektionen werden Stahlbleche aneinandergesetzt und zusammengeschweisst. Metallbleche, selbst wenn sie direkt aus der Walzstrasse kommen, haben aber immer Eigenspannungen nach dem Auskühlen und sie sind nicht plan, sondern dreidimensional verzogen. Das Zusammenschweissen solch verzogener Bleche ist schwierig und erhöht vor allem das Fehlerrisiko. Darum werden im modernen Schiffbau die Bleche direkt vor dem Einbau auf Richtmaschinen kalt gewalzt, um die inneren Spannungen zu «homogenisieren». Standardrichtmaschinen gibt es aber nur für relativ schmale und dünne Bleche.
Auf der anderen Seite ist es im Schiffbau wesentlich wirtschaftlicher, so grosse Bleche wie möglich zu nutzen, weil dann die Zahl der arbeitsintensiven und fehleranfälligen Schweissnähte deutlich sinkt. Bei den aktuellen Megaschiffen mit mehr als 450 Meter Länge sind damit Millioneneinsparungen erzielbar. Dieser Logik folgt die grösste Werft Chinas und schrieb im Sommer 2018 – zunächst nur für chinesische Unternehmen – den Auftrag für die weltweit grösste Richtmaschine aus, um bei niedrigeren Herstellkosten die Prozessstabilität und die Qualität im Schiffbau zu verbessern.
Nach intensiven Gesprächen und einem aufwändigen Auswahlverfahren setzte sich schliesslich die schweizerische Haeusler AG als bester Partner durch. Das weltweit agierende Unternehmen setzt seit mehr als 80 Jahren immer wieder neue Massstäbe für kraftvolle Metallumformung. Sehr häufig bei den Rekordmaschinen mit dabei: Hydraulikkomponenten von Bosch Rexroth. «Wir haben Axialkolbenpumpen für den offenen und geschlossenen Kreislauf geliefert, Ventile und Steuerblöcke sowie Axialkolbenmotoren», beschreibt Andreas Brunner den Lieferumfang. Der Vertriebsingenieur von Bosch Rexroth in der Schweiz begleitete das Projekt von den ersten Konzeptideen bis zur Montage in Duggingen. «Die Spezialisten von Haeusler verfügen über ein extrem hohes Hydraulikwissen», hebt er hervor. «Wir diskutieren immer auf Augenhöhe und entwickeln in Gesprächen neue Ideen.»
Kräfte von bis zu 186 Meganewton
Schon in der Angebotsphase wurden die Hydraulikkomponenten projektiert, dimensioniert und im Detail geplant. Haeusler simulierte vorab die Bewegungsabläufe und die einwirkenden Kräfte von bis zu 19 000 Tonnen, mit denen die sieben Walzen auf das Blech einwirken. Das entspricht einer Kraft von 186 Meganewton. Zum Vergleich: Die vier Triebwerke eines Jumbojets erzeugen einen Schub von etwas mehr als einem Meganewton. Stärker ist aktuell nur Elon Musks Weltraumrakete Falcon heavy mit einem Schub von 224 Meganewton. Umso wichtiger sind valide Simulationsergebnisse. «Haeusler hat uns gebeten, diese Simulation von unserer Simulationsabteilung in Lohr mit Simster 6 zu überprüfen, um ganz sicher zu gehen», erzählt Rogelio Humberto Michel, Gruppenleiter Hydraulik bei Bosch Rexroth in der Schweiz.
Mit vier Meter Walzbreite überschritten die Umformspezialisten bei diesem Auftrag bisherige Grenzen. «Wir suchen neue Herausforderungen, an denen wir wachsen können, um den Erfolg unserer Kunden zu sichern», fasst Jörg Haeusler, der Eigentümer des Unternehmens, die Philosophie zusammen. Dabei steht Kollaboration seit jeher im Mittelpunkt. «Es war die enge und transparente Teamarbeit, von der ersten Produktidee bis zum Ausschreibungsprojekt, welche unseren Kunden überzeugte», bekräftigt Jürgen Freund, CEO von Haeusler.
Hydraulik nach Mass
Die modular aufgebaute Anlage besteht aus verschiedenen Stationen und Arbeitsgängen. Die bis zu 12 000 Millimeter langen Stahlbleche mit bis zu 32 Tonnen Gewicht fallen aus 500 Millimeter Höhe zunächst auf den Schlagrollgang. Danach führt sie der Rollgang mit Zentriervorrichtung und Anheberollen in die Richtmaschine ein. Dort drücken die Walzen in mehreren Zügen auf das Blech, immer wieder kontrolliert von einer Laser-Ebenheitsmessung. Zum Abschluss kommt die Profiliereinheit zum Einsatz.
Über 3-Wege-Logikventile angesteuerte Axialkolbenmotoren im geschlossenen Kreislauf treiben die sieben Walzen direkt an. Die hydraulischen Zylinder im offenen Kreislauf verstellen den Walzenspalt und bringen die notwendigen Kräfte auf. Pumpen und Motoren stammen aus den Rexroth-Werken Elchingen und Horb. Die Hydraulikblöcke wurden bei Bosch Rexroth in Österreich gefertigt und dort sowie in der Schweiz montiert. Die Gesamtanschlussleistung beträgt 1520 Kilovoltampere.
Der Aufbau der 12 Meter hohen und mehr als 1200 Tonnen schweren Anlage stellte Haeusler vor ganz praktische Herausforderungen, denn in Länge und Breite musste die Montagehalle bis zum letzten Zentimeter ausgenutzt werden. In der Höhe reichte es aber beim besten Willen nicht, um die fast 10 Meter langen Zuganker von oben in die Maschinen einzuführen. «Durch zusätzliche Fenster im Hallendach wurde es möglich, die langen Zuganker von aussen einzubringen», beschreibt Jörg Haeusler die Lösung.
Robust und langlebig
Das automatische Steuerungskonzept für die Richtmaschine liefert das Unternehmen mit einer umfangreichen Datenbank für unterschiedliche Blechdicken und Materialien aus. Ein intelligentes Design reduziert die Fundamentkosten, da die Kräfte nicht komplett in den Boden eingetragen, sondern teilweise von den unteren Walzen gekontert werden. Bei der Dimensionierung aller relevanten Bauteile berücksichtigten die Konstrukteure Sicherheitsreserven. Zusammen mit der robusten Fluidtechnologie sorgt Haeusler so für eine lange Lebensdauer. «Ich denke, dass mich sämtliche Anlagen, die wir in den vergangenen 30 bis 40 Jahren ausgeliefert haben, überleben werden», lacht Jörg Haeusler.
Nach der Montage der Anlage in Duggingen und ersten Funktionstests baute das Unternehmen die Maschine im August wieder ab und verstaute sie in mehr als 30 Containern, die per Schiff – erst auf dem Rhein nach Antwerpen und dann per Seefracht – nach China transportiert werden. 2021 wird die weltgrösste Richtmaschine endgültig aufgebaut und in Betrieb genommen. SMM
(ID:47599768)