Elektronische Haut 1.000 Mal schneller: E-Haut schlägt menschliche Haut
Damit Roboter und Prothesen künftig so sensibel wie menschliche Haut werden, tüfteln Forscher weltweit an elektronischer Haut (E-Haut), die dank Sensorik wie ein künstliches Nervensystem funktionieren soll. In Singapur wurde nun eine E-Haut entwickelt, die 1.000 Mal schneller auf Reize reagiert als menschliche Haut.
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Fühlen kann der Mensch dank zahlreicher Oberflächensensoren auf der Haut. Sie reagieren auf die Umwelt und warnen vor Gefahren. Die Mehrheit dieser Oberflächensensoren stellen die sogenannten Mechanorezeptoren dar. Sie befinden sich in den oberen Schichten der Haut und reagieren auf physische Verformungen, sind also die Wächter für alle Hautkontakte. Dabei herrscht strikte Arbeitsteilung: Unterschiedliche Sensoren übernehmen diverse Aufgaben, die in ihrer Gesamtheit dem Gehirn einen genauen Eindruck davon geben, was um den Körper herum passiert.
So registrieren die Meissner-Körperchen, wie schnell die Haut an der Reizstelle eingedrückt wird. Merkel-Zellen mit einem Durchmesser von 10 Mikrometern reagieren indes auf eine anhaltende Berührung. Ruffini-Körperchen sind hingegen Sensoren für die Stärke einer Hautdehnung. Sie sind etwa 2 mm lang, verteilen sich über unsere gesamte Körperoberfläche. Vibrationen werden von den Vater-Pacini-Körperchen erkannt. Diese haben einen Durchmesser von 1 mm und liegen in der Unterhaut. Also ein sehr komplexes Zusammenspiel aus unterschiedlichsten Sensoren.
Intelligente E-Haut für Roboter und Prothesen
Weltweit arbeiten Forscher daran, die menschliche Haut künstlich abzubilden – beispielsweise für Roboter und Prothesen. Eine solche elektronische Haut (E-Haut) kann über Sensoren Druck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit sowie Luftströmung messen. „Wir Menschen nutzen unseren Tastsinn für fast jede Alltagsaufgabe. Ohne Tastsinn würden wir beim Laufen sogar unser Gleichgewicht verlieren. Auf ähnliche Weise benötigen Roboter einen Tastsinn, um besser mit Menschen zu interagieren. Aber momentan können Roboter Objekte noch nicht sehr gut erfühlen“, erklärt Forscher Benjamin Tee von der National University of Singapore (NUS). Er arbeitet mit seinem Team vom Department of Materials Science and Engineering an einer elektronischen Haut, die 1.000 Mal schneller auf mechanische Reize reagiert als die menschliche Haut. Dieses künstliche Nervensystem bezeichnet der Forscher als „Asynchronous Coded Electronic Skin“ (ACES).
Künstliches Nervensystem bringt Fortschritt bei Robotik
Seit rund zehn Jahren arbeitet Tee an der Sensibilität dieser E-Haut. Er orientierte sich am Nervensystem des Menschen. ACES erkennt Signale wie das menschliche Nervensystem. Es besteht aus einem Sensornetz, welches mit einem einzigen elektrischen Leiter miteinander verbunden ist. In bisherigen Systemen sind die Sensoren eng vernetzt. Das mache sie anfällig gegen Beschädigungen, unterstreicht Tee. Deshalb entwickelte Tee ein System, welches zudem auch über eine gewisse Robustheit verfügt.
„Das menschliche Nervensystem ist extrem effizient. Und es ist äusserst robust“, sagt der Forscher. Es werde beispielsweise nicht zerstört, wenn man sich durch einen Schnitt verletze. „Wenn es uns gelingt, das biologische System nachzuahmen und es noch zu verbessern, können wir in der Robotik gewaltige Fortschritte erzielen“, so der Wissenschaftler.
Sensorsystem reagiert 1.000 Mal schneller
Die jetzt von Tee entwickelte E-Haut soll physische Kontakte an zwei auseinanderliegenden Sensoren unterscheiden, die in einem Abstand von weniger als 60 Nanosekunden erfolgen. Sie soll innerhalb von zehn Millisekunden die Gestalt, die Oberflächenbeschaffenheit und die Härte eines Objekts ertasten können. Um die E-Haut robuster zu machen, haben die Forscher speziell für ACES eine wasserfeste Hülle entwickelt.
Skalierbare Sensorhaut repariert sich selbst
Mit einer einfachen Schaltung und hoher Reaktivität, auch bei wachsender Zahl von Sensoren, lassen sich intelligente E-Haut-Lösungen für die künstliche Intelligenz in Robotern, prothetischen Geräten und anderen Mensch-Maschine-Schnittstellen jeweils passend skalieren. Da die elektronische Haut grosse Oberflächen auf den Robotern oder Prothesen überdecken müsse, sei die Skalierbarkeit, beschreibt Tee, ein wichtiges Kriterium. Man könne ACES leicht mit anderen hautnahen Sensorsystemen etwa für Temperatur- oder Feuchtigkeitsmessung kombinieren. Ein Beispiel für eine solche Verschmelzung stellt die transparente, selbstheilende und wasserabweisende Sensorhaut dar. Sie ist ebenfalls in den Labors von Tees Gruppe entstanden. Wie die menschliche Haut kann sie sich selbst reparieren. Damit dürfte sie zur Entwicklung realistischerer prothetischer Gliedmassen beitragen, die helfen, den Tastsinn der Betroffenen wiederherzustellen.
Dieser Beitrag ist zuerst auf unserem Partnerportal Elektrotechnik erschienen.
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