Neuer Schweissprozess bewährt sich im Leichtbau Automatisiertes Fügen von Dünnblech-Abgasanlagen
>> Die Eberspächer-Gruppe setzt weltweit rund 1000 Roboter ein, welche für die Automobilindustrie Abgassysteme per Lichtbogen zusammenschweissen. Davon nutzen über 95 Prozent die MAG (Metall-Aktivgas)-Prozesse. Mit den modifizierten MAG-Prozessen wie dem «KF-Puls» von SKS wurden bisher gute Ergebnisse erreicht. Die Dicke der zu fügenden Bleche beträgt minimal 1,5 bis 1,0 Millimeter. Jedoch genügen diese Prozesse den Leichtbaubedingungen der Automobilindustrie nicht mehr.
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Speziell im Bereich Abgastechnik dominiert das Verarbeiten dünner Bleche. Für eine typische Leichtbau-Abgasanlage dürfen die Blechdicken, oder besser: «Blechdünnen» nur noch zwischen 1,0 und 0,5 Millimeter betragen. Eine moderne Abgasanlage – gleich, ob für einen PKW, einen LKW oder Sonderfahrzeuge – hat praktisch nichts mehr mit einem Auspuff gemein. Sie beginnt am Motor mit dem «Hot End» aus Krümmer und Katalysator bzw. Diesel-Partikelfilter. Sie setzt sich fort mit den «Orbital Tailored»-Rohren und eingefügten Kammern, d.h. Bauteilen, deren Wanddicke je nach späteren Lastbedingungen variiert. Das «Cold End» bilden eine Vielzahl von «Tailored Strips» als Schalldämpferschalen, rollierten Vor- und Nachschalldämpfern aus dünnwandigem Blech, weitere dünnwandige Böden sowie Innen- und Zwischenrohre.
Ein modernes zweirohriges Abgassystem eines Mittelklasse-PKW kann bis zu vier Meter lang sein. In konventioneller Bauart summiert sich das Gewicht seiner Bauteile auf rund 40 Kilogramm. Die Leichtbauvariante soll nur noch die Hälfte auf die Waage bringen. Der Gewichtsanteil der Stahlbleche reduziert sich dank der geforderten geringen Blechdicken um bis zu 35 Prozent. Sie wirken sich sowohl bei der Stahlerzeugung bis zur Verarbeitung als Abgaskomponenten als auch vor allem im späteren Fahrbetrieb in deutlich geringeren Schadstoffemissionen aus.
Verschärfte Bedingungen
Eberspächer verarbeitet für seine Abgassysteme überwiegend austenitische und ferritische Edelstähle (1.4301, 1.4509 und 1.4828). «Ein Schweissprozess, der bei 1,0 Millimetern Blechdicke noch stabil läuft, kann bei 0,5 Millimetern bereits erhebliche Schweissfehler wie Durchbrenner ergeben. Deshalb brauchen wir für Leichtbau-Abgasanlagen ein Schweissverfahren, das die Prozesssicherheit bzw. -fähigkeit unter diesen verschärften Bedingungen gewährleistet», erklärt Roman Lauer, Diplom-Ingenieur bei Eberspächer und als Leiter Fügetechnik verantwortlich für die Auswahl der passenden Schweissprozesse und der dazu erforderlichen Ausstattung. Gemeinsam mit den Schweisstechnikpartnern von SKS definierten er und seine Kollegen die Anforderungen an den passenden Schweissprozess und seine Ergebnisse. Die zentrale Rolle spielt ein reduzierter Wärmeeintrag mit einem kontrollierten Einbrand. Der von SKS entwickelte «microMIG»-Prozess, eine Verfahrensvariante des Lichtbogenschweissens, erfüllt die geforderten Bedingungen.
Gering pulsierend
microMIG arbeitet mit einer pulsierenden Drahtbewegung. Den gewünschten reduzierten Wärmeeintrag sowie den definierten guten Einbrand ergänzt das nahezu spritzerfreie Schweissergebnis. Im Vergleich zu anderen Verfahren mit pulsierender Drahtförderung kennzeichnet microMIG ein wesentlicher Unterschied: Statt mit höheren Frequenzen des Drahtpulses erreicht man damit höhere Abschmelzleistungen mit niedrigeren Frequenzen. Je höher die Abschmelzleistung sein soll, desto länger sind hier die Pulssequenzen. Die geringere pulsierende Drahtbewegung führt zu einer niedrigeren Belastung der Verschleissteile im Brennersystem einschliesslich der Antriebe. Höhere Lebensdauer, qualitativ bessere Schweissnähte, ansprechende Nahtoptik, geringer Bauteilverzug und weniger Nacharbeit zählen zu den weiteren Vorteilen.
Die Schweissexperten von Eberspächer testeten den microMIG-Prozess unter Praxisbedingungen ausführlich und produzieren im Anschluss daran seit 2009 Teile für ihre Abgasanlagen. In exakten Tests ermittelten sie Daten unter zwei wesentlichen technischen Aspekten: Leichtbau und Verzug.
Viel weniger Verzug
Das Fügen bis zu 0,5 Millimeter dünner Stahlbleche gemäss den Leichtbauanforderungen gewährleistet microMIG prozesssicher. Die Parameter kann der Anwender noch differenzierter als bei anderen Prozessen einstellen. Ergebnisse der Untersuchungen an den Leichtbauverbindungen zeigen die Produktfotos und Nahtschnitte der Praxisbauteile.
Je dünner die zu schweissenden Bleche sind, desto grösser ist das Risiko, dass sich die gefügten Bauteile verziehen. Eine Methode, den Verzug zu reduzieren ist, bei gleicher Geschwindigkeit die Streckenenergie zu senken. An einem komplexen Sandwichbauteil – dem doppelt isolierten Boden für eine Nutzfahrzeugabgasanlage – untersuchten die Ingenieure von Eberspächer die Bauteilgeometrie vor und nach dem Fügen. Sie ermittelten maximale Massabweichungen von minus 0,74 und plus 0,65 Millimeter beim MAG- bzw. minus 0,50 und plus 0,48 Millimeter beim microMIG-Schweissen. Der Verzug beim vorher genutzten MAG-Verfahren lag also um 35 bis 50 Prozent höher.
Modularität als Vorteil
«Das Einführen neuer Verfahren ist üblich mit entsprechend hohen Investitionen in neue Anlagen verbunden. Das konnten wir uns mit SKS weitgehend ersparen. Der Wechsel vom KF-Puls zu microMIG bedeutete hardwaremässig lediglich den Austausch des Power-Joint-Brennersystems gegen das Frontpull-System», freut sich der Fügetechnikleiter gemeinsam mit dem Investor Eberspächer. SKS setzt auf einen konsequenten modularen Aufbau seiner Schweisssysteme. Stromquelle, Schweisssteuerung, Roboter-Interface und Drahtvorschub ergeben, kombiniert mit dem prozessspezifischen Brennersystem, das komplette System. Stromquelle und Schweisssteuerung stehen in wenigen unterschiedlichen modifizierten Grössen zur Wahl; z.B. Stromquellen in zwei Leistungsgrössen und Steuerungen für ein oder vier Stromquellen, mit unterschiedlichen Programmspeichern und Vernetzungen. Die Roboter-Interfaces unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Roboterhersteller.
Flink und flexibel
Auswahlkriterien für die Brennersysteme sind partielle oder endlose Drehbarkeit, integrierter Kollisionsschutz, Kompatibilität zu Hohlwellenrobotern, integrierter Drahtvorschub und Ein- oder Zweidrahtausführung. So kann der Anwender falls erforderlich auch nachträglich – wie bei Eberspächer – vom Brenner ohne Drahtvorschub auf einen solchen mit integriertem Drahtvorschub wechseln. Falls für ältere Systeme eine neue Software erforderlich wird, stellt SKS sie und bei Bedarf auch neue Kennlinien kostenfrei zur Verfügung.
«microMIG als schweisstechnische Lösung für Leichtbau-Abgasanlagen überzeugt uns in der täglichen Praxis. Weil wir lediglich das Brennersystem austauschen, halten sich die Investitionen in sehr überschaubaren Grenzen», fasst Schweisstechnologe R. Lauer die Ist-Situation zusammen. Bei der Realisierung seiner Wünsche für die Zukunft haben die Schweissentwickler von SKS bereits Fortschritte vorzuzeigen: eine neue Verfahrensvariante für noch differenziertere Parametereinstellungen mit einem grösseren Prozessfenster und ein kompakteres Brennersystem mit besserer Zugänglichkeit, speziell für moderne Hohlwellenroboter. <<
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