Extended Warehouse Management Die Zukunft der Produktionsversorgung in der Automobilindustrie mit SAP EWM

Autor / Redakteur: Anika Madaus / Sebastian Hofmann

Viele Automobilhersteller setzen SAP Warehouse Management für die Produktionsversorgung und -integration ein. Nun hat SAP bekannt gegeben, die Lösung bis 2025 in SAP S/4HANA aufzukündigen. Das stellt viele Produktions- und Logistikunternehmen – aber vor allem auch die Automotivebranche – vor ein großes Problem: Sie müssen Funktionen von SAP WM durch andere Lösungen abdecken.

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Einige Automobilproduzenten nutzen das SAP Warehouse Management, um ihre Fertigung zu unterstützen und transparenter zu machen.
Einige Automobilproduzenten nutzen das SAP Warehouse Management, um ihre Fertigung zu unterstützen und transparenter zu machen.
(Bild: ©stockddvideo - stock.adobe.com)

Eine steigende Fahrzeugkomplexität führt für viele Erstausrüster (Original Equipment Manufacturer oder OEM) zwangsläufig zu einer steigenden Komplexität ihrer werksinternen und -übergreifenden Logistiksysteme. Automobilhersteller versuchen, möglichst nur noch Fahrzeuge nach Kundenauftrag Build-to-Order herzustellen, und streben das Prinzip der Mass Customization an, also die Verknüpfung von individueller Produktion mit Massenproduktion. Dafür wird der Produktionsprozess so organisiert, dass möglichst viele Fahrzeugvarianten ohne Unterbrechung in einer Produktionsanlage oder an einem Montageband hergestellt werden können.

Mit SAP EWM komplexe Lieferketten in der Automobilindustrie managen

Speziell im Automotive-Bereich sind Logistiknetzwerke heute durch eine hohe Vielfalt und Dynamik geprägt – um die 10.000 Einzelteile werden inzwischen für ein Auto benötigt. Sie kommen meist von extern in die Automobilwerke. Das bedeutet: Es gibt eine komplexe Supply Chain, an der eine Vielzahl von Lieferanten und Logistikdienstleistern beteiligt ist. SAP EWM als Teil der SAP Supply Chain Execution kann hierbei unterstützen.

Ein großer Vorteil des Einsatzes von SAP EWM für die Produktionsversorgung und -integration in der Automobilwelt besteht unter anderem darin, dass die Lösung ohnehin bereits in vielen Lagern im Einsatz ist. Ein Nachteil ist, dass sie Lücken in der Produktionsversorgung aufweist. Ein Routenzug oder Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Produktion lassen sich nicht ohne Weiteres steuern. Für die diskrete Fertigung unterstützt SAP EWM die Bereitstellung und Bestandsführung im Produktionsversorgungsbereich hingegen sehr gut.

Diskrete vs. Prozessfertigung Die Kernunterschiede zwischen diskreter und Prozessfertigung gibt es im operativen Doing.
  • Diskrete Fertigung = die Produktion von Enderzeugnissen aus unterschiedlichen Materialen, Rohstoffen und Teilen (die von extern geliefert werden)
  • Prozessfertigung = die Verarbeitung von Flüssigkeiten, Granulaten oder Gasen, also vor allem chemische und verfahrenstechnische Prozesse (Trennen, Mischen, Erhitzen usw.)
  • Eine Herausforderung für den Einsatz von SAP EWM ist aktuell noch die Bandversorgung für die Serienfertigung: Verbrauchsbuchungen dürfen hier im SAP Standard nicht von EWM geführten Beständen erfolgen. Um dies zu umgehen, muss die Bestandsführung nach der Bereitstellung durch SAP EWM in das SAP ECC wechseln. (SAP ECC ist ein System für Enterprise-Resource Planning (ERP), das auch als SAP ERP bezeichnet wird. Es integriert Daten aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen in Echtzeit.) Für den Anwender ist die Steuerung der Produktionsversorgung dann insofern erschwert, als dass SAP ECC keine platzgenauen Bestände in der Produktion kennt. Eine Mischung von Serienfertigung und diskreter Fertigung am gleichen Band ist damit im SAP Standard zurzeit nicht möglich.

    Brücke zwischen SAP EWM und SAP ECC

    Doch es gibt Lösungen, die diese Lücke schließen – beispielsweise die „Consulting Solution zur Serienfertigung im EWM“ der Firma Abat. Sie ermöglicht es, auch in der Serienfertigung – analog zur diskreten Fertigung – die Verbräuche von EWM geführten Beständen zu buchen und gewährleistet so mehr Transparenz im Bereich Produktionsversorgung. Dadurch, dass der Bestand in einem EWM-geführten Produktionsversorgungsbereich verbleibt, ist es zudem nicht mehr notwendig, Ware, die für die Produktion bereitgestellt aber nicht benötigt wurde, wieder vom SAP ECC in das SAP EWM zurück zu buchen. Die Consulting Solution gewährleistet daher auch, dass das originale Wareneingangsdatum an den Komponenten erhalten bleibt und somit die FIFO-Auslagerung bei einer erneuten Bereitstellung sichergestellt werden kann.

    Bei der Umstellung auf SAP EWM müssen sich Automobilhersteller aber nicht nur mit den einzelnen Anwendungsbereichen der Software auseinandersetzen, sondern auch das „Big Picture“ im Blick behalten. Hier kommt die Fragestellung zum Tragen, ob SAP EWM dezentral oder embedded in SAP S/4HANA genutzt werden soll. Bei der dezentralen Version wird SAP EWM als Lagerprojekt in das bestehende SAP ERP-System integriert. Für SAP Embedded EWM hingegen müssten Unternehmen ihr SAP ECC zunächst nach SAP S/4HANA migrieren. Dieser Schritt ist früher oder später sowieso nötig, da auch SAP ECC 2025 aus der Wartung läuft.

    Mit EWM embedded in S/4HANA braucht es kein gesondertes System für die Lagerverwaltung mehr.
    Mit EWM embedded in S/4HANA braucht es kein gesondertes System für die Lagerverwaltung mehr.
    (Bild: Abat AG)

    Großer Vorteil einer Nutzung von EWM embedded im S/4HANA ist der Wegfall eines separaten Systems für die Lagerverwaltung. Hierdurch kann direkt auf die ERP-Daten, zum Beispiel bezüglich Materialstamm oder Artikelchargen, zugegriffen werden. Es ist keine Stammdatenübertragung mehr notwendig und es entstehen keine redundanten Daten in verschiedenen Systemen.

    Tappen Sie bei der Umstellung nicht in die Zeitfalle!

    Spätestens 2025 müssen alle OEM, die SAP ERP im Einsatz haben und weiterhin von neuen Releases und Support durch die SAP profitieren wollen, ihre Systeme auf SAP S/4HANA migrieren. In welcher Reihenfolge sie das tun, ist individuell zu bestimmen. In jedem Fall darf der Zeitfaktor nicht unterschätzt werden. Die Migration eines solchen Systems ist sehr umfangreich. Vor allem wenn Unternehmen viele eigene Zusatzfunktionen implementiert haben.

    Für die Migration auf SAP S/4HANA sollten Betriebe genügend Zeit einplanen. Gerade bei größeren Unternehmen kann dieses Vorhaben sogar mehrere Jahre dauern.
    Für die Migration auf SAP S/4HANA sollten Betriebe genügend Zeit einplanen. Gerade bei größeren Unternehmen kann dieses Vorhaben sogar mehrere Jahre dauern.
    (Bild: Abat AG)

    Allein die Umstellung an einem Standort kann bis zu zwei Jahre dauern. Die meisten Automobilhersteller müssen diese dann aber ja sogar an mehreren Standorten durchführen. Bis der gesamte Roll-Out durchgeführt ist und alles reibungslos funktioniert, dauert es bei größeren Unternehmen oft bis zu zehn Jahre. Es gilt: Je mehr Standorte, desto größer der Vorlauf. Daher ist es besonders wichtig, sich schon jetzt mit der Migration auseinandersetzen, um 2025 auf dem aktuellsten Stand zu sein.

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    * Anika Madaus ist Lead Business Unit SAP EWM bei Abat in 28217 Bremen, Tel. (04 21) 43 04-60, info@abat.de

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