Interview mit Claudio Sager (Stemmer) und Carlo Bach (NTB) «Frankenstärke ist für mich das Unwort des Jahres»

Redakteur: Silvano Böni |

Eine wirtschaftliche Produktion ohne Bildverarbeitung ist heute praktisch undenkbar. Sie ermöglicht Robotern das Sehen oder kann defekte Teile erkennen und aussortieren. Doch wie sieht die Zukunft der Bildverarbeitung aus und wie entwickelte sich der Schweizer Markt? Wir sprachen mit den zwei Bildverarbeitungsspezialisten Claudio Sager (Geschäftsführer Stemmer Imaging Schweiz) und Professor Carlo Bach von der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs (NTB) und erhielten spannende Einblicke.

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«Wir müssen hochautomatisieren und damit Kosten senken, damit wir gegen den Rest der Welt bestehen können.» Claudio Sager, Managing Director Stemmer Imaging AG
«Wir müssen hochautomatisieren und damit Kosten senken, damit wir gegen den Rest der Welt bestehen können.» Claudio Sager, Managing Director Stemmer Imaging AG
(Bild: SMM)

SMM: Stemmer Imaging ist seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz präsent. Wie hat sich in dieser Zeit der Markt entwickelt?

Claudio Sager: Da muss ich ein wenig weiter ausholen. Vor rund 25 bis 30 Jahren hat die Bildverarbeitung langsam begonnen, sich in der Industrie zu etablieren. Anfangs war das aber nur etwas für Freaks und ETH-Cracks. Mit den ersten Smart-Cams hat sich das dann schlagartig geändert. Das waren konfigurierbare Systeme, womit Anwender auf einfachstem Weg eine Applikation realisieren konnten. Heutzutage hat sich die Bildverarbeitung dahingehend gewandelt, dass sie immer komplexer und anspruchsvoller wird. Dank der technologischen Fortschritte sowie der mittlerweile bezahlbaren Rechenleistungen ist heute vieles möglich, was vor Jahren undenkbar war. Und mit den rund 20 000 Artikeln in unserem Portfolio können wir praktisch jede Anwendung bewerkstelligen.

2015 wurde durch den SNB-Entscheid und die anhaltende Frankenstärke zu einem sehr schwierigen Jahr für die hiesige Industrie. Wie sieht die Situation bei Ihnen aus?

C. Sager: Wir hatten das grosse Glück, dass wir mit unseren Produkten nicht nur im 08/15-Markt tätig sind, sondern viele Kunden in Spezialsegmenten haben. In diesem High-End-Bereich war der Taucher überschaubar. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass wir unsere Produkte in Euro beziehen. Nach dem SNB-Entscheid konnten wir innert kürzester Zeit diesen Kurs eins zu eins weitergeben und die Kunden somit unterstützen, trotz «sogenannter» Frankenstärke konkurrenzfähig zu bleiben.

«Sogenannter» Frankenstärke?

C. Sager: Mir gefällt der Ausdruck Frankenstärke nicht. Das ist für mich das Unwort des Jahres. Die Frage ist doch: Wieso ist die Schweiz so teuer, was ist unser Problem? Alles, was wir einkaufen, ist Faktor zwei bis drei Mal höher als im europäischen Umfeld. Das fängt beim Kaffee an und geht bis zu jedem Bauteil an einer Maschine. Darunter leidet unsere Wirtschaft. Logischerweise hat so die hiesige Maschinenindustrie Mühe, mit den europäischen Preisen mitzuhalten.

Was wäre denn die Idee, um diese Problematik zu lösen?

C. Sager: Das ist eine gute Frage. Wie kann man ein ganzes System ändern, welches einen Level erreicht hat, der nicht mehr aufzuhalten ist? Einen Masterplan habe ich dafür leider auch nicht. Aber es muss wohl im Kleinen anfangen. Wir von Stemmer Imaging Schweiz zum Beispiel können europäische Preise machen, das funktioniert und wir verdienen Geld dabei. Die Frage ist, wieso können es andere nicht? Oder noch besser, wieso versuchen es die anderen nicht? Geht es nur darum, möglichst viel Profit zu machen? Oder geht es darum, ökonomisch und ökologisch zu agieren?

Es muss also ein Umdenken stattfinden?

C. Sager: Ja genau. Ein Handy beispielsweise sollte nicht nur zwei Jahre gebrauchsfähig sein, ein Fernseher nicht nach drei Jahren kaputt gehen. Hier sind die Unternehmen gefragt. Aber auch wir Konsumenten haben unseren Anteil daran. Wieso brauchen wir immer die neusten Produkte? Unsere Ressourcen reichen irgendwann nicht mehr aus, um mit dieser Strategie weiterzufahren. Das funktioniert auf Dauer nicht, dafür ist unser Planet zu klein.

Vom ganzen Planeten zurück in die kleine Schweiz. Wo sehen Sie die besonderen Stärken des hiesigen Werkplatzes?

C. Sager: Die Menschen fühlen sich wohl hier, und das spiegelt sich auch in der Wirtschaft wieder. Wir besitzen ein sehr stabiles politisches System, einen hohen Bildungsgrad und grosse Innovationskraft. Aber irgendwann reicht das natürlich nicht mehr aus. Wir müssen hochautomatisieren und damit Kosten senken, damit wir gegen den Rest der Welt bestehen können. Das Thema Industrie 4.0 ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, damit man auch beispielsweise mit Kleinserien auf einen vernünftigen Preis kommt.

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