Arbeitszeitmodell Funktioniert die 4-Tage-Woche in der Industrie?

Von M.A. Manja Wühr Lesedauer: 5 min

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Mehr Aufträge, mehr unbesetzte Stellen, weniger arbeiten – die 4-Tage-Woche wird vor allem in der Industrie kontrovers diskutiert. Einige Maschinenbauer wagen dennoch den Versuch.

Frank Rademacher, Gruppenleiter Montage Industriemaschinen, Vemag Maschinenbau: „Für uns ist die Einführung der Vier-Tage-Woche eine „Win-Win-Situation“. Die Mitarbeiter*innen sind zufriedener und die Produktivität steigt.“
Frank Rademacher, Gruppenleiter Montage Industriemaschinen, Vemag Maschinenbau: „Für uns ist die Einführung der Vier-Tage-Woche eine „Win-Win-Situation“. Die Mitarbeiter*innen sind zufriedener und die Produktivität steigt.“
(Bild: Vemag)

„Die effektivste Möglichkeit, das Arbeitsvolumen trotz Fachkräftemangel zeitnah zu halten, ist die Erhöhung der Wochenarbeitszeit“, kommentiert VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann den Bericht zum Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit im Januar. Das sei zweifellos ein unpopulärer Vorschlag, dürfe aber angesichts der Alterung unserer Gesellschaft kein Tabu sein, so der Branchenvertreter.

Einige Maschinenbauer gehen jedoch den entgegengesetzten Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Sie führen in ihren Werkhallen die 4-Tage-Woche ein. Sie erhoffen sich zufriedenere Mitarbeiter und mehr Produktivität. Kurz gesagt, wollen sie sich als attraktive Arbeitgeber positionieren.

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Welches Modelle der 4-Tage-Woche passt?

Was unter dem Begriff 4-Tage-Woche konkret zu verstehen ist, ist nicht immer klar. In Deutschland wird es häufig als ein Teilzeitmodell umgesetzt. Wobei sich die Arbeitszeit um 20 Prozent reduziert und damit auch das Gehalt. Bei einer 40-Stunden-Woche würde dies bei acht Arbeitsstunden pro Tag zu einer 4-Tage-Woche führen.

Doch einige Industrieunternehmen haben schon lange keine 40-Stunden-Woche mehr. Das trifft auch auf den Hersteller von Lebensmittelmaschinen Vemag zu – trotz voller Auftragsbücher. In Verden wird nun die 4-Tage-Woche getestet. Dabei arbeiten die Mitarbeiter im Vergleich zur Fünf-Tage-Woche nicht weniger, sondern die Arbeitszeit wird auf vier Tage verteilt. „Am Ende der Woche stehen 35 Stunden auf der Uhr“, erläutert Uwe Gerking, Human Resources Manager bei Vemag. Durch die Vier-Tage-Woche haben die Mitarbeiter einen freien Tag, den sie komplett zum Beispiel für Freizeitaktivitäten wie Sport oder ein verlängertes Wochenende nutzen können.

Auch der Messtechnik-Spezialist Wenzel hat die 4-Tage-Woche in der Produktion als Standard eingeführt – in der Verwaltung als Option. „Die Reduzierung der Arbeitstage von fünf Tage auf vier Tage pro Woche greift in allen Abteilungen, wo die Umsetzung möglich ist“, erklärt Personalleiter Daniel Eisler.

Welche Vorteile hat die 4-Tage-Woche?

Die 4-Tage-Woche wird kontrovers diskutiert. Für eine kürzere Arbeitswoche sprechen folgende Vorteile:

Eine 4-Tage-Woche ermöglicht es Mitarbeitern, sich besser zu erholen. Was die mentale Gesundheit fördert und Stress abbaut. Arbeitgeber versprechen sich daher weniger Fehltage durch Krankheit. Denn wer ausgeglichener ist, wird auch seltener krank.

Immer mehr Arbeitnehmer wünschen sich, Arbeit und Privatleben in Einklang bringen zu können. Wer Millennials und die Generation Z für sein Unternehmen gewinnen will, kommt an flexiblen Arbeitszeitmodellen nicht vorbei. Dafür würden viele auch Abstriche beim Gehalt machen. In der Industrie sind das fast ein Viertel, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Yougov im Auftrag des Versicherers HDI.

Das können Nachteile der 4-Tage-Woche sein

Volle Auftragsbücher, offene Stellen und viele Kollegen, die bald in Rente gehen – die Arbeitsbelastung ist in vielen Betrieben schon jetzt grenzwertig. Manche Konzepte einer 4-Tage-Woche verdichten die Arbeit lediglich. Was man vorher in fünf Tagen machen konnte, muss nun in vier geschafft sein. Das kann die Überlastung eher verschärfen. Daher optimieren viele Unternehmen im Zuge der Einführung einer 4-Tage-Woche auch ihre Prozesse und Workflows.

Wer noch viel zu Ende bringen muss, macht wahrscheinlich kürzere oder gar keine Pausen. Doch diese Pausen braucht es. Ein kurzer Schwatz am Kaffeeautomat pustet das Hirn frei und stärkt den Zusammenhalt im Team.

Wer seine Arbeitszeit nicht verdichten will, wird wahrscheinlich seine Stunden reduzieren. Damit einher geht aber auch weniger Gehalt. Was sich letztendlich auch negativ auf den Lebensstandard auswirkt. Mitarbeiter sollten gründlich abwägen, ob mehr Freizeit bei weniger Gehalt für sie langfristig vorteilhaft ist.

Steigt die Produktivität?

Der Messtechnik-Spezialist Wenzel weiß, worauf es ankommt, damit eine kürzere Arbeitswoche nicht zu Einbußen in der Produktivität führt. So bedarf es einer sehr guten Planung, damit in den vier Tagen auch die gleiche Stückzahl an Maschinen gefertigt werden kann wie zuvor. Und damit wirke das neue Arbeitszeitmodell auch nachhaltig. Schließlich könnten viele, energieintensive Maschinen, Druckluft- und Klimatechnik nun bereits Donnerstagabend ausgeschaltet werden. Das spart Energie. Zwischen zehn und 15 Prozent bei gleicher Produktionsleistung, so das Unternehmen.

Diese Erfahrung belegt auch eine gemeinsame Studie des britischen Thinktanks „Autonomy“ und der isländischen „Association for Sustainability and Democracy“. Die Ergebnisse aus dem weltweit größten Experiment zur Arbeitszeitverringerung zeigen unter anderem, dass die Produktivität nach der Stundenreduzierung konstant blieb oder sogar anstieg.

Wie führt man eine 4-Tage-Woche ein?

Über den Wechsel des Arbeitszeitmodells konnten die Mitarbeiter des Messtechnik-Spezialisten Wenzel individuell entscheiden. Der Großteil der Belegschaft habe die Umstellung gerne angenommen, zumal die Reduktion der Arbeitsverträge von 37,5 auf 36 Stunden ohne Lohnverzicht erfolgte. Die Mitarbeiter mit 40-Stunden-Verträgen konnten sich entscheiden: entweder mit einer „Selbstbeteiligung“ ebenfalls auf die 4-Tage-Woche mit 36 Stunden reduzieren oder beim alten Vertrag bleiben. „Für diejenigen, die bei ihrem bestehenden Modell bleiben wollten, haben wir die Optionen auf das Arbeiten im Homeoffice erweitert“, führt Eisler weiter aus.

Bei Vemag läuft die Pilotphase der Vier-Tage-Woche bereits und das neue Modell kommt sehr gut an, so das Unternehmen. Viele der Mitarbeiter aus der Montage nehmen das Angebot an. Dabei wurde das Modell von den Montagegruppen zusammen mit den Gruppenleitern entwickelt. Bei der Umsetzung stimmen sich die Mitarbeiter der Schicht mit dem Gruppenleiter ab, um einen reibungslosen Produktionsablauf zu gewährleisten. Die Erprobung der Vier-Tage-Woche soll nun zeigen, ob das neue Modell in einem Produktionsbetrieb an seine Grenzen stößt und ob die Mitarbeiter des Maschinenbauers das Arbeitszeitmodell annehmen.

Wo kann die 4-Tage-Woche funktionieren? Und wo nicht?

Eine 4-Tage-Woche kann funktionieren und sich positiv auf Belegschaft und Produktivität auswirken. Doch in einigen Fällen ist sie nicht denkbar. Beispielsweise, wenn betroffene Mitarbeiter für Kollegen, Kunden oder Dritte durchgängig erreichbar sein müssen. Auch können eine hohe Arbeitsbelastung oder verpflichtende Meetings einer 4-Tage-Woche im Wege stehen.

Wer mit dem Gedanken spielt eine 4-Tage-Woche einzuführen, kann dies auch als Chance nutzen, um ineffiziente Prozesse auf den Prüfstand zu stellen.

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Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal maschinenmarkt.vogel.de

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