Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH: Moderne Messtechnik mit hoher Prozesssicherheit

Redakteur: Hermann Jörg |

>> Mit seinen Flügeltüren ist der Mercedes Benz SLS AMG der Traum vieler Autofahrer. Mit «Hightech auf höchstem Niveau» beschreibt der Hersteller diesen neuen Sportwagen. Hightech ist aber nicht nur bei der Konstruktion des Fahrzeuges gefragt, auch in Fertigung und Qualitätskontrolle werden hohe Massstäbe gelegt. So wird beispielsweise die Lenkungskupplung in Handarbeit montiert und gleichzeitig einer strengen Qualitätskontrolle unterzogen. Zum Einsatz kommt dabei moderne Messtechnik von HBM.

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Der Traum vieler Sportwagenfans: der Flügeltürer SLS AMG. (Bild: Daimler AG)
Der Traum vieler Sportwagenfans: der Flügeltürer SLS AMG. (Bild: Daimler AG)

joe. Mit einer Höchstleistung von 420 kW (571 PS) beschleunigt der 6,3-Liter-Motor des Mercedes Benz SLS AMG den 1620 kg schweren Sportwagen in nur 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bei 317 km/h greift die Elektronik ein und begrenzt die Höchstgeschwindigkeit. Die Aluminium-Spaceframe-Karosserie mit den Flügeltüren, ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe sowie das Sportfahrwerk mit Aluminium-Doppelquerlenker-Achsen sorgen für die entsprechende Fahrdynamik. Es ist dies das erste eigenständig entwickelte Auto der Mercedes-AMG GmbH, die den Premium-Sportwagen als das Meisterstück in ihrer 40-jährigen Firmengeschichte bezeichnet.

Manufaktur-Fertigung

Auch in der Fertigung werden hohe Massstäbe gesetzt. Produziert werden nur etwa 25 bis 30 Fahrzeuge pro Tag. Sowohl bei der Fertigung des Aluminium-Spaceframes, bei der Motorenproduktion als auch bei der Endmontage setzt man auf Handarbeit. Die Firma Magna Steyr Fahrzeugtechnik GmbH in Graz fertigt Chassis und Karosserie, die Motoren kommen aus der AMG-Motorenmanufaktur in Affalterbach und für die Endmontage wurden die Montagelinien und die Fertigungseinrichtungen in Sindelfingen auf den neuesten Stand gebracht.

Auch bei den Zulieferbetrieben ist aufgrund der geringen Stückzahl häufig Handarbeit anzutreffen. Die Lenkungskupplung beispielsweise – ein zentraler Bestandteil der Lenkung des neuen Fahrzeuges – wird bei der Dura Automotive Systems Reiche GmbH in Lage (Nordrhein-Westfalen) gefertigt und montiert. Der Automobilzulieferer, der an diesem Standort etwa 100 Mitarbeiter beschäftigt, gehört zur international tätigen Dura Automotive Systems Inc. mit Sitz in den USA. Eine der wesentlichen Produktgruppen sind dabei sogenannte Wellrohre, deren Durchmesser auf einem Teil der Länge periodisch wechselt. Bei einer Frontalkollision absorbiert das Wellrohr Energie, indem es sich definiert verformt. Dieses Prinzip schützt den Fahrer davor, dass die Lenksäule bei einem Aufprall in den Fahrgastraum gedrückt wird und so zu Verletzungen führt.

Die Wellrohre werden mit einem speziellen Umformverfahren hergestellt. Das Einbringen der Wellen (Sicken) wird in einem pressenähnlichen Werkzeug mit Formelementen und Innenhochdruckunterstützung realisiert. Bei diesen von Dura Reiche selbst entwickelten Sickenwerkzeugen können die Umformvorgänge mit vergleichsweise geringen Drücken realisiert werden.

Lenkungsmontage lückenlos überwachen

Die Lenkung für den neuen SLS AMG wurde von der Daimler AG in Zusammenarbeit mit Mercedes-AMG und Dura Automotive Systems Reiche GmbH entwickelt. Der obere Teil der Lenkung wird von Daimler im Werk Hamburg hergestellt. Am Standort Lage fertigt Dura Reiche die Lenkungskupplung. Diese besteht neben dem beschriebenen Wellrohr noch aus einem glatten Rohr, einem Doppelkreuzgelenk und verschiedenen Bauteilen, die teilweise selbst gefertigt oder auch zugekauft werden. Das hier eingesetzte sogenannte Gleichlaufgelenk hat einen entscheidenden Einfluss auf die Lenkungspräzision.

Die Montage geschieht von Hand an einem eigens dafür eingerichteten Arbeitsplatz. Zunächst wird das Gelenk, das die beiden Rohre der Lenkungskupplung miteinander verbindet, überprüft. «Den Prüfstand für das Gelenk haben wir von der REORG GmbH nach unseren Vorgaben speziell für dieses Projekt bauen lassen», erzählt Ralf Strothmann, der bei Dura Reiche als Entwicklungsingenieur für das Projekt zuständig ist. Auf dem Prüfstand wird das Beugemoment des Gelenks in beiden Bewegungsrichtungen gemessen. Zum Einsatz kommt hierzu eine Plattformwägezelle vom Typ PW4M von HBM. Der Leitrechner des Prüfstands nimmt die gemessenen Daten auf und entscheidet, ob das Beugemoment innerhalb der vorgegebenen Toleranzen liegt.

Messtechnik von HBM

Der Prüfstand erfasst auch die Daten der anderen Stationen innerhalb der Fertigung, an denen die Qualität kontrolliert wird. Nach der Überprüfung des Gelenks werden in die Rohre zunächst Gewindeeinsätze eingepresst. Auch hier kommt wieder moderne Messtechnik von HBM zum Einsatz. Der Einpressvorgang wird mit einem Prozess-Controller vom Typ MP85A überwacht (siehe Kastentext). Dieser erfasst die Kraft und den Weg während des Einpressvorgangs. «Besonders die bewährte Fenstertechnik des MP85A hat uns überzeugt», zeigt sich Strothmann von dem Prozess-Controller begeistert. Die gemessenen Daten werden direkt im Prozess-Controller ausgewertet. Dabei wird überprüft, ob die Werte innerhalb eines vorgegebenen Fensters liegen.

Auch im folgenden Schritt – dem Verschrauben der einzelnen Teile – wird die Montage überwacht. Das Anzugsmoment und der Drehwinkel der Schrauben, die mit einem handgeführten Schrauber der Firma DSM Messtechnik eingebracht werden, müssen gemessen und protokolliert werden. Im letzten Schritt werden die Länge der fertig montierten Lenkungskupplung und der Verdrehwinkel der Anschlussschnittstellen zueinander gemessen.

Sämtliche Werte werden vom PC, der den Prüfstand steuert, protokolliert und überwacht. Die einfache Möglichkeit, die Prozess-Controller in eine Prüfstandumgebung zu integrieren, war für Strothmann ein wichtiges Kriterium: «Die Prozess-Controller senden sowohl den Status, also ‹in Ordnung› oder ‹nicht in Ordnung›, als auch die gemessenen Werte über Ethernet an den zentralen PC.»

Hundertprozentige Rückverfolgbarkeit

Jede Lenkungskupplung, die das Werk von Dura Automotive Systems Reiche GmbH verlässt, ist mit einer eindeutigen Nummer versehen. «Anhand dieser Nummer können wir im Nachhinein die Montage und die dabei gemessenen Werte exakt nachvollziehen», erläutert Strothmann. Somit ist für den Kunden eine absolute Rückverfolgbarkeit gegeben.

Die Montage- und Prüfeinrichtung für die Lenkungskupplung wurde zum grossen Teil bei Dura Reiche konzipiert und auch gebaut. Lediglich der Prüfstand zur Messung des Beugemoments der Gelenke wurde von der REORG GmbH komplett inklusive Steuerungs-PC und Software geliefert. Der Bau der Prüfeinrichtungen an den anderen Stationen und deren Integration erfolgte bei Dura Reiche.

Bei der Auswahl der Komponenten legte man beim Automobilzulieferer besonderen Wert auf eine unkomplizierte Anbindung an das Prüfsystem. «Mit den kompakten Prozess-Controllern von HBM haben wir schon in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht», begründet Strothmann die Entscheidung für den MP85A.

Zurzeit verlassen pro Tag im Schnitt etwa 25 Lenkungskupplungen das Werk. Sie werden zusammen mit den in Hamburg gefertigten Komponenten zu einer kompletten Lenkung im Werk Sindelfingen in den SLS AMG eingebaut. Der Fahrer des Flügeltürers kann sich dank moderner Messtechnik von HBM darauf verlassen, dass sicherheitsrelevante Teile seines Sportwagens mit höchster Qualität und Präzision gefertigt sind. <<

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