Simulation und Digital Engineering mit CADFEM Mit Simulation «an die Grenze des technisch Möglichen»

Von Nastassja Neumaier Lesedauer: 6 min

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Im SMM-Interview beleuchten Joël Grognuz, Head of Engineering, und Roberto Rossetti, Co-CEO der CADFEM (Suisse) AG, die Potentiale der numerischen Simulation. Mit ihr sind dem Digital Engineering theoretisch keine Grenzen gesetzt. Es kommt – wie immer – auf die Kommunikation an.

Die Bewind GmbH aus Deutschland wertet die Lebensdauer der Verbundstruktur ihrer Rotorblätter mithilfe von PyAnsys automatisiert aus.
Die Bewind GmbH aus Deutschland wertet die Lebensdauer der Verbundstruktur ihrer Rotorblätter mithilfe von PyAnsys automatisiert aus.
(Bild: Bewind GmbH)

Was sind aktuell die grössten Herausforderungen der Unternehmen im Bereich der numerischen Simulation?

Roberto Rossetti: Angesichts der zunehmenden Digitalisierung wird es bald unabdingbar sein, dass Sie wissen, wie Sie Ihr Unternehmen mit spannenden neuen Technologien wie digitalen Threads (digitalen roten Fäden), digitalen Zwillingen, PLM-Plattformen, Simulation und intelligenter Fertigung verbinden können. Unternehmen, die der Konkurrenz einen Schritt voraus sein wollen, Innovationen vorantreiben und ihre Branche umgestalten wollen, brauchen fortschrittliche Werkzeuge, um erfolgreich zu sein.

CADFEM Ansys Simulation Conference

Die CADFEM Ansys Simulation Conference ist eine einzigartige Veranstaltung zur Simulation.
Am 15. Juni 2023 erfahren Sie an der Ostschweizer Fachhochschule, Campus Rapperswil Neuigkeiten und Wissenswertes aus der Welt der Simulation.
Im Mittelpunkt stehen zahlreiche Präsentationen von spannenden Entwicklungsprojekten aus der Industrie.

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Joël Grognuz: Die digitale Transformation ist ein grosses Thema für viele unserer Kunden. Dabei geht es um die Art und Weise, wie wir Informationen austauschen und bereitstellen. Dies betrifft alle Beteiligten, von den Systemarchitekten, über die Konstrukteure bis hin zu den Simulationsingenieuren. Jede Gruppe ist dabei hochspezialisiert und nutzt verschiedene Vorgehensweisen und Tools. Aktuell findet der Austausch zumeist dokumentenbasiert statt, was zu einem hohen manuellen Aufwand führt. Eine Änderung in einem der Glieder führt entsprechend zum erneuten Austausch von Dokumenten und damit zu Arbeit für alle nachfolgenden Gruppen. Das macht den Entwicklungsprozess sehr träge und anfällig für Fehler.

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Mit welchen Dienstleistungen begegnet CADFEM diesen Herausforderungen?

J. Grognuz: Wir bei CADFEM glauben, dass eine effektive Kommunikation der Schlüssel zur Entwicklung besserer Produkte ist. Um sicherzustellen, dass alle Beteiligten in der Entwicklung nahtlos kommunizieren können, bieten wir eine Reihe von Dienstleistungen an, darunter Beratung bei der Auswahl der richtigen Technologien und Know-how-Transfer. Die Integration von Tools wie Ansys Connect (Minerva,
optiSLang, ModelCenter und Granta) gewährleistet einen kontinuierlichen und konsistenten Datenfluss über System-, Abteilungs- und Toolgrenzen hinweg. Dies trägt dazu bei, den Entwicklungsprozess zu beschleunigen und die Fehleranfälligkeit zu reduzieren.

R. Rossetti: Schlussendlich beschleunigt CADFEM den Schritt in die Digitalisierung. Dank einfacher Datensuche und -visualisierung, AI-basierter Modellierung und vielem mehr wird der Zugang zu Methoden des Wissensmanagements mit nachvollziehbaren Simulationsdaten ermöglicht, was wiederum den Entscheidungsprozess fördert.

Wie können Kunden durch diese Methoden ihre Wertschöpfungskette optimieren und Risiken minimieren?

J. Grognuz: Wie Roberto soeben erwähnt hat, besteht einer unserer Ansätze darin, durch Simulationstechnologien eine bessere Entscheidungsgrundlage zu bieten. Wir arbeiten dabei mit sinnvoll erarbeiteten (Daten-)Strukturen, zum Beispiel über alle Bereiche von Materialdaten hinweg. Der Zugang zu diesen Strukturen kann aufgaben- und personenspezifisch geregelt werden, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten. Die Verwendung von Simulationen unterstützt unsere Kunden dabei, mögliche Auswirkungen von Rohstoffpreissteigerungen und Versorgungsengpässen auf die Produktion und die Wertschöpfungskette abzuschätzen. Durch die Nachvollziehbarkeit und Konsistenz der Simulationsergebnisse können Entscheidungen auf einer fundierten Basis getroffen und Risiken somit gesenkt werden. Diese Synergien ermöglichen es, Prozesse effizienter zu gestalten, um beispielsweise den Energieverbrauch zu optimieren, den ökologischen Fussabdruck oder Materialverschwendung zu reduzieren.

Ist dann die Verifizierung der Simulationsergebnisse durch Prototypen überhaupt noch notwendig?

J. Grognuz: Prototypen spielen immer noch eine wichtige Rolle bei der Validierung, da das System «Tool + Anwender» weiterhin fehleranfällig bleibt. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Kon­strukteuren und Simulationsexperten kann die Anzahl der erforderlichen Prototypen jedoch deutlich reduziert werden, da Simulationsergebnisse in einem früheren Entwicklungsstadium zur Verfügung stehen und somit potenzielle Probleme früher erkannt und effiziente Massnahmen ergriffen werden können.

Konstruktion und virtuelle Entwicklung verschmelzen somit!?

J. Grognuz: Immer mehr! Die Digitalisierung bzw. digitale Engineering-Tools tragen zur Komplementarität der verschiedenen Disziplinen bei, da die Zusammenarbeit zwischen Konstrukteuren und Simulationsingenieuren gestärkt wird. Selbst ohne eine tiefgreifende Ausbildung in der numerischen Modellierung entsteht eine kollaborative Umgebung, in der Fachwissen aus verschiedenen Disziplinen effektiv genutzt werden kann.

Ein grosser Vorteil ist somit die Demokratisierung von Engineeringwissen. Moderne Simulationswerkzeuge entwickeln sich stets weiter, um einen geeigneten Zugang für alle zu erlauben; von der GPU-basierten, sekundenschnellen Simulation bis zur Entwicklungsumgebung für Experten oder zu massgeschneiderten Lösungen auf Knopfdruck. CADFEM positioniert sich hier als Digitalisierungscoach, sodass jeder – unabhängig von dem technischen Hintergrund oder der Abteilung – das richtige Werkzeug findet.

R. Rossetti: Bei CADFEM glauben wir an das Potential der Digitalisierung in jedem Unternehmen und für jeden Ingenieur. Um die Simulation in die Entwicklungsprozesse zu integrieren, entwickeln wir entsprechende Workflows für die Kunden. Wir stützen uns dabei auf unsere Erfahrung aus sehr vielen Einführungs- und Ausbauprojekten jeder Grössenordnung und mit unterschiedlichsten Anforderungsprofilen sowie Lastenheften. Die 40-jährige, enge Partnerschaft mit Ansys verleiht uns darüber hinaus umfassende Kenntnisse in den Bereichen Automatisierung und Prozessintegration.

Können Sie dies beispielhaft anhand eines konkreten Anwendungsfalls veranschaulichen?

J. Grognuz: Die Firma Bewind optimiert ihre Rotorblätter bei stetig steigenden Anforderungen: grösser, leiser und preiswerter. Hier spielen Ermüdung, zyklische Lasten und Schadensbewertung von Composite-Materialien eine grosse Rolle. Ein solcher Workflow existiert nicht «out of the box» und ist auch rechnerisch aufwendig. Mit Hilfe von PyAnsys entstand ein parallelisierter Highspeed-Workflow mit Schadensberechnung und erweiterter Nachbearbeitung für die Lebensdauerbewertung der Verbundstruktur. Durch eine Standalone-App war die Integration in das Kunden-Ökosystem sehr einfach und konnte viel Zeit sparen.

Wie schätzen Sie das Innovationspotential numerischer Simulation ein?

R. Rossetti: Simulationsbasierte Pro­duktinnovation bietet unendlich viele
Möglichkeiten! Wir können die Welt mit der Macht der Simulation verändern und haben dies in vielen Bereichen bereits
getan. Die Simulation verändert die Produkti­nnovation in fast allen Branchen. Von den frühen Design- und Analyse­phasen bis hin zum gesamten Pro­duktlebenszyklus: Simulation verbessert Arbeitsabläufe, erhöht Qualität und Genauigkeit und senkt gleichzeitig Risiken und Kosten. Das ist eine Win-win-Situation.

J. Grognuz: Numerische Simulation liegt nicht nur uns am Herzen, sondern auch im Herzen des digitalen Engineerings. Sie treibt die Innovation in vielen Branchen voran, da sie die Möglichkeit bietet, Ideen und Konzepte durch virtuelle Prototypen von Produkten und Systemen auf konkrete, nachvollziehbare und vor allem risiko­freie Weise zu verwirklichen. Potenzielle Probleme und ihre Auswirkungen auf die tatsächlichen Anwendungen können frühzeitig erkannt werden; die gewonnene Sicherheit unterstützt wiederum die Kreativität.

Welche Trends gibt es aktuell im Bereich des Digital Engineerings?

J. Grognuz: Einer der wichtigsten Trends ist die zunehmende Verwendung von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen in der Entwicklung und Optimierung von Produkten und Prozessen. Das Problem mit KI ist Nachvollziehbarkeit und Sicherheit. Simulationswerkzeuge bieten hier eine komplementäre, bewährte und nachvollziehbare Wahrheitsquelle, welche für Sicherheit sorgen und auf unterschiedliche Arten integriert werden: durch Model Order Reduction (MOR), Python Routinen (PyAnsys) und allgemeine Workflow-Automatisierung. So können Simulationen durch KI gesteuert werden, um die Kreativität weiter zu stärken. Diese Komplementarität fördert nicht nur Kreativität, sondern auch eine ressourcen- und energieschonende Entwicklung neuer Produkte und Technologien.

Die Integration von digitalen Zwillingen in der Fertigung und im Betrieb wird ebenfalls immer wichtiger. Durch die Erstellung von digitalen Zwillingen von Maschinen, Anlagen oder Prozessen und die Nutzung der Echtzeitdaten können Unternehmen ihre Effizienz und Qualität verbessern. Sie können dadurch sogar neue Geschäftsmodelle entwickeln und neue Märkte erschliessen, wie beispielsweise Product-as-a-Service, prädiktive Wartung, präskriptive Analytik für smarte Produkte, modellbasierte Regelungen und virtuelle Sensoren. Zusätzlich ermöglicht eine Workflow-Automatisierung die schnelle und effektive Durchführung von Routineaufgaben im Bereich der Simulation, was den Entwicklungsprozess beschleunigen und die Produktivität erhöhen kann.

R. Rossetti: Mit Blick nach vorne zitiere ich gerne Prof. Sandro Wartzack von der Universität Erlangen-Nürnberg, dem ich mich zu 100% anschliesse: «Wenn ein Produktentwicklungsprozess schneller, kostengünstiger, innovativer sein soll, ist die Simulation die Methode der Wahl. Wenn man an die Grenze des technisch Möglichen gehen will, ist die Simulation unverzichtbar.»

SMM

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