Herstellung von Spiralkegelrädern Schneller verzahnen dank Verfahrensintegration

Redakteur: Anne Richter

Die Herstellung von Spiralkegelrädern ist Spezialistensache. Die Suhner Transmission AG hat im Drehmaschinenhersteller Index einen Partner gefunden, der das Kegelradverzahnen auf Dreh-/Fräszentren ermöglicht, in kürzerer Zeit und höherer Qualität als auf Spezialmaschinen.

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Mit zwei kraftvollen Motor-Frässpindeln und zwei verfahrbaren Arbeitsspindeln ist die Index R200 ein äusserst flexibles und produktives Dreh-/Fräszentrum.
Mit zwei kraftvollen Motor-Frässpindeln und zwei verfahrbaren Arbeitsspindeln ist die Index R200 ein äusserst flexibles und produktives Dreh-/Fräszentrum.
(Bild: Index)

Die Suhner Holding AG mit Sitz im aargauischen Lupfig bei Brugg gehört zu den erfolgreichen Schweizer Familienunternehmen, die weltweit auf allen relevanten Märkten mit einem klar umrissenen Produktportfolio präsent sind, und das alles ohne die Vorteile eines mittelständischen Industriebetriebes aufgegeben zu haben. Seit der Gründung 1914 befindet sich das Unternehmen ununterbrochen im Familienbesitz und wird heute von Jürg Suhner in vierter Generation geleitet. Derzeit sind rund 800 Mitarbeiter in den unterschiedlichen Standorten beschäftigt. Auf vier Kontinenten werden zwölf Produktionsbetriebe und Verkaufsniederlassungen geführt, bei einem Exportanteil von rund 90 Prozent. Gegliedert ist die Gruppe in vier Divisionen: Abrasive-Tools (Elektroschleifgeräte), Machining (Komponenten und Systeme für Bohr- und Fräseinheiten sowie Gewindeschneiden), Transmission (biegsame Wellen, spiralverzahnte Kegelräder, Elektro- und Druckluftmotoren) und Stamping (Stanzen und Umformen). Wobei bei der Kurzbeschreibung der einzelnen Divisionen immer noch Begriffe wie kundenspezifisch oder Spezial angefügt werden können. Was bedeutet, dass keine der einzelnen Divisionen sich mit Massenartikeln befasst, sondern immer kundenspezifische Lösungen anbietet. Am Anfang der Erfolgsgeschichte, quasi die Stammzellen des Traditionsunternehmen, war die Erfindung der biegsamen Wellen. Heute ist dieser Geschäftsbereich in die Suhner Transmission AG eingegliedert. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren diese biegsamen Antriebselemente zum Beispiel als Tachowellen in Millionen von Automobilen eingebaut, heute finden sie vor allem als Antriebselemente für Sitzverstellungen oder Schiebedächer oder im Medizinbereich vermehrt Verwendung.

Kernbereich Spiralkegelräder und Getriebe in Kleinserien

Neben diesem Bereich sind es vor allem Spiralkegelräder und Getriebe, die das Kerngeschäft der Suhner Transmission AG ausmachen. Das alles längst nicht mehr allein für eigene Produkte, sondern überwiegend für Fremdkunden. Zwar wurde speziell die Verzahnungsabteilung ursprünglich für den Eigenbedarf ausgerüstet, aber als man die Fertigungskapazitäten nicht mehr auslasten konnte, wurden die überschüssigen Kapazitäten auf dem Markt angeboten. Heute ist die Lohnfertigung in etwa doppelt so gross wie der Eigenbedarf. Für Stjepan Deranja, Divisional Strategic & Business Excellence Manager, hat das verschiedene Gründe: «Die Suhner Gruppe ist kein Massenhersteller. Wir sehen uns vielmehr, wie beispielsweise bei den Winkelschleifgeräten, als Technologie- und Qualitätsführer, aber liegen stückzahlmässig weit unter anderen Anbietern. Das hat unsere Fertigungsstruktur geprägt.»

Wilfried Tröndle, Technischer Support + Engineering bei Suhner Transmission, bestätigt: «Wir sind traditionell auf die Herstellung kleinerer Stückzahlen spezialisiert. Viele Verzahnbetriebe haben dieses Geschäftsfeld ganz aufgegeben und konzentrieren sich auf Serienteile. Wir haben uns zudem ausschliesslich auf Spiralkegelräder konzentriert. Bei einfacheren Zahnradgeometrien herrscht auf dem Markt ein Überangebot, Spiralkegelräder aber sind um einiges aufwändiger herzustellen, vor allem wenn man wie wir auch kleinere und kleinste Serien produziert. Das hat sich in den vergangenen Jahren auf dem Markt herumgesprochen, so dass unsere Fertigungskapazitäten mehr und mehr von dem Umfeld Lohnfertigung in Anspruch genommen wurden.»

Aufwändiges Kegelräder-Fertigungsverfahren mit Spezialmaschinen

Durchaus nachvollziehbar, dass eine derartige Fertigungsphilosophie eine sehr spezifische Maschinenausrüstung fordert. Noch einmal Wilfried Tröndle: «Wir haben bis vor kurzem ausschliesslich auf rein mechanischen Verzahnmaschinen produziert. Hier haben wir den Vorteil, dass diese Maschinen dank der genutzten Universalmessersysteme eine relativ grosse Bandbreite abdecken. Bei modernen hochproduktiven Verzahnsystemen braucht es dagegen eine Vielzahl von Zusatzequipment, um eine vergleichbare Flexibilität erreichen zu können.» Spezifische Verzahnmaschinen aber haben einen entscheidenden Nachteil: Alle vorbereitenden und nachfolgenden Arbeitsschritte müssen auf anderen Maschinen oder gar manuell abgedeckt werden. Wilfried Tröndle beschreibt das so: «Bei Kegelrädern die über die älteren Verzahnmaschinen laufen, muss vor der eigentlichen Zahnradbearbeitung erst ein Rohling gedreht und dann noch Fräsarbeiten wie Einbringung einer Nut oder Vergleichbares durchgeführt werden. Nach dem Verzahnen muss das Teil zudem manuell entgratet werden. All das führt immer zu nur schwer kalkulierbaren Liege- und Durchlaufzeiten. Dabei ist in unserer Branche die Lieferbereitschaft eine der absolut entscheidenden Kenngrössen, oft wichtiger als der Preis an sich.» Kein Wunder also, dass die Verantwortlichen, bis hinauf zu der Geschäftsführung, immer nach anderen Lösungen suchten. Dies zumal, da Wilfried Tröndle mitbekommen hatte, dass der Drehmaschinenhersteller Index an der Implementierung des Zyklo-Palloid-Verfahrens auf eine Drehmaschine arbeitete.

Komplettfertigung ab Stange mit Index- Dreh-/Fräszentrum

Umso grösser war das Interesse bei Suhner, als auf der EMO 2013 in Hannover dem damaligen CEO Otto Suhner auf dem Index-Stand eine Index R200 auffiel, auf der Spiralkegelräder verzahnt werden konnten. Leider war der Modulbereich damals noch sehr eingeschränkt, aber der Suhner-Delegation aus Otto und Jürg Suhner zusammen mit Stjepan Deranja war eines klar: Sollte es möglich sein, eine grössere Range an Modulen auf dieser Maschine herstellen zu können, dann, so erinnert sich Stjepan Deranja «… war uns allen klar, dass dies für uns eine hochinteressante Lösung wäre.» Und tatsächlich: Schon bei der darauffolgenden AMB bekam Stjepan Deranja die Meldung, dass die Index-Entwicklungsmannschaft ganze Arbeit geleistet habe, und man nun alles bis Modul 1,5 abdecken könne. Mittlerweile können auf den grösseren Index-Dreh-Fräszentren R300 und G420 sogar Spiralkegelräder bis Modul 4 verzahnt werden. Schnell war man sich einig, dass mit der Index R200, natürlich inklusive der adaptierten Kegelradtechnologie, eine Lösung nach (Suhner-)Mass möglich sein würde. Dass dies weit mehr war als eine theoretische Überlegung oder gar eine Wunschvorstellung, zeigt sich an der bei Suhner im Werk Lupfig seit Ende 2017 realisierten Lösung.

Noch einmal Wilfried Tröndle: «Früher dauerten allein die Verzahnungsarbeiten um die acht Minuten, heute bekommt man in kürzerer Zeit ein komplettes Kegelrad von der Maschine. Zudem können wir alles von der Stange fertigen, haben also keinen Rüst­aufwand, vermeiden dadurch eventuelle Spannfehler, haben keine Liegezeiten und bekommen die Zahnräder komplett – inklusive des Entgratens – von der Maschine. Zudem kann ein breiter Variantenbereich allein über Maschineneinstellungen generiert werden.» Und weiter: «Bei den meisten Teilen erreichen wir Fertigungszeiten, die kaum mehr über den einstmals reinen Verzahnzeiten liegen. Das liegt auch daran, dass wir jetzt mit Hartmetallwerkzeugen zerspanen, wo wir früher HSS-Werkzeuge eingesetzt haben. Das heisst, dass wir auch wesentlich höhere Schnittdaten fahren können.»

Lieferfristen halbiert

Stjepan Deranja konkretisiert: «Von der Bestellung bis zum Liefertermin war früher ein Zeitraum zwischen 10 und 12 Wochen normal, mit der neuen Fertigungstechnologie benötigen wir nur noch rund die Hälfte, wobei unsere mittelfristige Zielvorgabe sogar noch deutlich darunter liegt. Das liegt daran, dass wir derzeit noch einen deutlich höheren Programmieraufwand haben. In unserer Verzahnabteilung haben wir 50 Jahre analog gearbeitet, jetzt sind wir auch dort auf dem Weg in die digitale Welt.» Fernziel ist, alle mechanischen Verzahnmaschinen durch moderne Index-CNC-Zentren zu ersetzen. Noch sind sieben von früher fast 20 dieser Maschinen am Netz, mittelfristig sollen aber alle durch die entsprechenden CNC-Lösungen (sprich Index-​Dreh-Fräszentren) ersetzt werden. Wobei das aber bei weitem nicht nur die angesprochenen betrifft, sondern auch andere Verzahnmaschinen. Stjepan Deranja: «Wir gehen davon aus, dass wir nahezu alle unserer bestehenden Kundenprodukte auf der Index abbilden können – und das ist keine Utopie, das ist das erklärte Ziel.» Wilfried Tröndle geht sogar noch einen Schritt weiter: «Wir sind jetzt sogar in der Lage, beliebige Zwischenmodule ohne zusätzlichen Aufwand herzustellen. Das ist nötig, wenn Kunden mit konkreten Forderungen bezüglich der Leistungsdaten auf uns zukommen, gleichzeitig aber beispielsweise auch schon Einbaumasse vorgeben. Mit einer klassischen Zahnradauslegung könnten wir hier schnell an physikalische Grenzen stossen, da hilft uns die Index R200 schon sehr.»

Verwandlung von Dreh-/Fräszentren zu wettbewerbsfähigen Verzahnungsmaschinen

Bislang scheint es keine echte Alternative zu der Index-Lösung zu geben. Eine mögliche Erklärung dafür liefert Dr.-Ing. Volker Sellmeier, Leiter Technologieentwicklung bei Index: «Zum einen definiert sich Index schon seit vielen Jahren nicht mehr allein als Hersteller innovativer Drehmaschinen, sondern hat sich längst zu einem kundenorientierten Lösungsanbieter weiterentwickelt. Wir verkaufen nicht mehr nur Maschinen, sondern ein ganzes Technologiepaket.» Und zum anderen? «Das Verfahren ist schon sehr komplex. Nötig ist neben einer entsprechenden Spindelkopplung zwischen Werkstück und Werkzeug auch die richtige Auswahl von Verzahnung und Wälzung, bis hin zu Flankenmodifikation, Längs- und Höhenballigkeiten. Und für all dies muss man entsprechende Zyklen hinterlegen. Hinzu kommt, dass man geeignete Werkzeuge selbst entwickeln muss. Wie gesagt ist das schon ein sehr anspruchsvolles Unterfangen.» Laut Dr.-Ing. Volker Sellmeier ist man jedoch nicht gänzlich auf die R-Maschinen festgelegt: «Wir haben diese Technologie bereits auf weitere Maschinen übertragen, wie zum Beispiel auf die Index G220. Für die Massenfertigung ist es sogar denkbar, das Technologiepaket auf einen Mehrspindler zu portieren.» Neben den maschinenspezifischen Voraussetzungen (davon später mehr) braucht es dazu allerdings das Index-Paket «Kegelradabwälzfräsen», das aus einem speziell entwickelten Steuerungszyklus und vier Messerköpfen mit modulabhängigen Schneidplatten besteht.

Damit ausgestattet, lassen sich geeignete Dreh-Fräszentren in absolut wettbewerbsfähige Verzahnungsmaschinen verwandeln, und das ohne die spezifischen Pluspunkte eines hochmodernen Dreh-Fräszentrums zu verlieren. Und er fasst zusammen: «Im Vergleich zur konventionellen Prozesskette mit klassischen Verzahnungsmaschinen erreicht der Anwender kürzere Durchlaufzeiten sowie bessere Form- und Lagetoleranzen. Und er ist wesentlich flexibler. Die hier bei Suhner installierte Index R 200 bietet mit 120 Werkzeugen eine Vielzahl von Bearbeitungsoptionen. Die Spiralkegelräder lassen sich damit von der Stange komplett in einer Aufspannung, mit Vorder- und Rückseitenbearbeitung, durch Abwälzfräsen im kontinuierlichen Teilverfahren in einem breiten Modulbereich produzieren.» Und: «Im Gegensatz zum klassischen Zyklo-Palloid-Verfahren mit zweiteiligem Messerkopf setzen wir zwei separate Messerköpfe pro Kegelrad ein. Dadurch können wir höhere Messerkopfgängigkeiten realisieren und erreichen so eine höhere Zerspanleistung und eine grössere Freiheit bei der Tragbildkorrektur.»

Abschliessend noch ein paar Bemerkungen zu der bei Suhner eingesetzten Index R 200. Das Technologiepaket «Kegelradabwälzfräsen» benötigt als Grundlage eine Maschine mit hoher Steifigkeit. Aufgrund ihrer ausgezeichneten statischen, dynamischen und thermischen Eigenschaften sind die Dreh-Fräszentren der Index-R-Baureihe dazu prädestiniert. Dazu kommen noch bemerkenswerte Leistungsdaten. So bieten die beiden Motor-Frässpindeln jeweils 11 kW. Geführt in Pinolen, liegen sie über Eck angeordnet im Zentrum des Maschinenbetts. Dadurch konnte Index auf den sonst üblichen Kreuzschlitten verzichten. In 0,9 s beschleunigen beide Spindeln von 0 auf 5000 min-1 bei einer maximalen Drehzahl von 18 000 min-1. Der Schwenkbereich der B-Achsen liegt zwischen 270° und 230°. Die Arbeitsspindeln sind baugleich. Jede leistet maximal 33 kW bei bis zu 5000 min-1 und einem Spitzendrehmoment von 150 Nm. Für Wilfried Tröndle ist die gefundene Lösung jedenfalls eine absolute Punktlandung: «Wir sind jetzt in der Lage, Spiralkegelräder in einer überlegenen Qualität in kürzester Zeit herstellen zu können. Das verschafft uns einen deutlichen Wettbewerbsvorteil und stärkt gleichzeitig unsere Stellung als Technologie- und Qualitätsführer.» -ari- SMM

EMO 2019: Halle 17, Stand D03

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