Bystronic: Digitalisierung gemeinsam vorantreiben Übergreifend kooperieren, gesamtheitlich digitalisieren
Digitalisierung eröffnet grosse Chancen. Allerdings braucht es dafür Offenheit und Partnerschaft. Die aktuelle Situation, den angestrebten Wandel und die Visionen von Bystronic erläutert Alberto Martínez, Head of Competence Center Software Services, Chief Digital Officer und Mitglied des Bystronic Management Committee.
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SMM: Herr Martínez, wie agieren Industrieunternehmen üblich in der Entwicklung innovativer Produkte, Produktionsverfahren und interner Prozesse?
Alberto Martínez: Innovationen entstehen im stillen Kämmerchen. Was für die Erfinder des 19. und 20. Jahrhunderts gilt, trifft auch auf grosse Teile der Industrie heute noch zu. Die Forschung und Entwicklung schliesst externe Akteure in der Regel kategorisch aus. Unternehmen entwickeln Produkte unter Geheimhaltung und schützen sie beim Markteintritt durch Patente. Das Betriebsgeheimnis ist sakrosankt. Ziel ist es, der Erste zu sein und möglichst lange der Einzige zu bleiben. Dieser interne Fokus der Forschung und Entwicklung führte zur blinden Annahme, das gesamte Know-how müsse von innen kommen.
Wie wollen Sie diese Situation ändern?
A. Martínez: Wir bei Bystronic glauben, es ist an der Zeit, diese Vorstellung zu hinterfragen. Denn wir mussten uns eingestehen, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden nicht länger im Alleingang befriedigen können. Blechbearbeiter suchen immer weniger einzelne Produkte, sondern vernetzte Lösungen. Und diese können wir nur in Zusammenarbeit mit externen Partnern bieten. Wir sind überzeugt, Innovation lässt sich in diesem Segment allein durch Kollaboration vorantreiben und verwirklichen. Wer die Vision der Smart Factory umsetzen möchte, kommt nicht umhin, sich zu öffnen. Im Zuge der Vernetzung der Supply Chain gewinnt das Ökosystem rund um die eigene Organisation an Bedeutung. Bystronic plant und entwickelt deshalb vermehrt mit anderen Unternehmen zusammen, darunter Lieferanten und Kunden, aber auch Mitbewerber. Mit ihnen teilen wir Know-how und Daten, um gemeinsam die besten Lösungen zu entwickeln.
Wie kann man sich konkret diese Zusammenarbeit vorstellen?
A. Martínez: Bei der Entwicklung von Hardware und Software setzt Bystronic zum einen auf eine enge Kollaboration mit Kunden. Sie geben uns Anregungen, wie wir unsere Systeme weiterentwickeln können. So veranstalten wir beispielsweise frühzeitig im Entwicklungsprozess Workshops mit Kunden, um ihre Bedürfnisse, Erwartungen und Verbesserungsvorschläge aufzunehmen. Zum anderen pflegen wir mit unseren wichtigsten Lieferanten strategische Partnerschaften. Für die Weiterentwicklung der Faserlasertechnologie haben wir mit den Spezialisten von IPG Photonics kooperiert. Um die Vernetzung der Supply Chain unserer Kunden voranzutreiben, sind wir eine Partnerschaft mit dem Softwarehersteller Kurago eingegangen.
Welche Auswirkungen hat diese zukunftsgerichtete Innovationsstrategie auf die internen Abläufe in einem Industrieunternehmen wie Bystronic?
A. Martínez: Ein neuer Mindset ist gefragt. Die digitale Transformation zwingt Industrieunternehmen wie das unsrige dazu, ihre Geschäftsmodelle zu hinterfragen und ihren Mindset auf digitale Lösungen auszurichten. Dass dies nicht von heute auf morgen passiert, wissen wir aus eigener Erfahrung. Das grösste Hindernis ist die traditionelle Unternehmenskultur, die am einzelnen Produkt, an jährlichen Entwicklungszyklen und am Ausschluss von externem Know-how festhält. Das Gegenteil dieser traditionellen Unternehmenskultur ist das, was man eine digitale Unternehmenskultur nennen könnte. Eine offene Kultur, die vernetzt denkt und partnerschaftlich handelt, Lösungen inkrementell entwickelt und sich Veränderungen im Marktumfeld rasch anpasst. Das setzt ein Umdenken voraus. Gefragt ist ein Mindset, der die Stärken des Unternehmens in digitale Geschäftsmodelle ummünzen kann. Mit praxisorientierten Entwicklungsprogrammen lässt sich der nötige Kulturwandel anstossen. Im Rahmen einer Change-Initiative haben wir die Strukturen und Prozesse bei Bystronic neu beurteilt. Damit der Wandel auch gelebt wird, stellten wir dabei einen engen Bezug zum Arbeitsalltag her: Anhand von konkreten Praxisbeispielen reflektierten unsere Teams in Workshops die interne und externe Zusammenarbeit. So ist es uns gelungen, alte Denk- und Verhaltensmuster aufzubrechen.
Welche Vorteile sehen Sie in dieser neuen Unternehmens- und Innovationskultur?
A. Martínez: Die Vorteile einer Kultur, die sich an digitalen Lösungen orientiert, liegen auf der Hand. Organisationen mit einem hohen digitalen Reifegrad bewegen sich agiler auf dem Markt. Sie können die Bedürfnisse ihrer Kunden schneller und umfassender abdecken. Die Softwarebranche hat es mit der Beta-Version vorgemacht. Produkte müssen nicht bereits perfekt sein, wenn sie auf den Markt kommen. Kunden sind bereit, bei der Weiterentwicklung zu helfen, sofern sie von Beginn weg vom Nutzen überzeugt sind. Ein rascher Markteintritt und eine stetige Weiterentwicklung sollte auch in unserer Branche das Ziel sein. Unternehmen, die derart offen denken und handeln, werden sehr viel agiler auf dem Markt auftreten können. Eine Kultur, die sich digitale Tools zunutze macht, unterstützt zudem das Arbeitgebermarketing, denn fortschrittliche Unternehmen ziehen die besten Leute an. Viele von ihnen bringen den gefragten Mindset bereits mit und unterstützen so den Kulturwandel. Sie orientieren sich nicht nur nach innen, sondern auch nach aussen. Sie gehen Risiken ein und haben keine Angst, Fehler zu begehen. Sie geben Massnahmen mehr Gewicht als der Planung und stellen kollektive Erfolge über Einzelleistungen. Mitarbeitende, die diese Wertvorstellungen verinnerlicht haben und ihren Mindset auf digitale Lösungen ausrichten, sind für uns die wichtigste Voraussetzung, um künftig innovativ zu sein. Sie sind es, die das Netzwerk im Umfeld unserer Organisation aufbauen und gemeinsam mit internen und externen Stellen nach den besten Lösungen für unsere Kunden suchen.
Die Branche Maschinenbau, speziell sogar die Blechbearbeitung, gilt allgemein eher als konventionell und beharrlich. Innovationen werden eher zögerlich betrachtet und angenommen. Wie beurteilen Sie den Zeithorizont und die Chancen auf baldige Realisierung ihrer zukunftsweisenden Ideen?
A. Martínez: Wir öffnen uns einer Vernetzung ohne Scheuklappen. Klar ist, dass der Weg hin zur Smart Factory weit ist. Die Vision lässt sich nicht auf einen Schlag umsetzen. Vielmehr muss der Wandel in Etappen angegangen werden. Bystronic bietet Kunden deshalb die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. Das bedingt flexible und skalierbare Lösungen, die sich sukzessive ausbauen lassen. Um das Ziel zu erreichen, braucht es zudem eine nahtlose Durchgängigkeit der Material- und Datenflüsse. Deshalb scheuen wir uns auch nicht davor, Systeme von Fremdherstellern einzubinden.
Herr Martínez, vielen Dank für diese Ausführungen zur künftigen Kultur der Innovation und Digitalisierung bei Bystronic. SMM
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