Mehr Frauen in die Männerdomänen (mit Infografiken) «Der Motor dreht – oder eben nicht»

Autor / Redakteur: Stefan Roschi / Sergio Caré |

Frauen in technischen Berufen sind nach wie vor stark in der Unterzahl. Die beiden Ingenieurinnen Petra Bründler und Lynn Braunschweig sprechen über ihre Erfahrungen in einer Männerdomäne.

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Frauen in technischen Berufen sind nach wie vor stark in der Unterzahl. Petra Bründler (links) und Lynn Braunschweig haben durchwegs gute Erfahrungen gemacht in der Industrie.
Frauen in technischen Berufen sind nach wie vor stark in der Unterzahl. Petra Bründler (links) und Lynn Braunschweig haben durchwegs gute Erfahrungen gemacht in der Industrie.
(Bild: Philipp Schmidli / Maxon)

Petra Bründler (Entwicklungsingenieurin) und Lynn Braunschweig (Technische Projektleiterin) arbeiten in unterschiedlichen Bereichen am Hauptsitz des Antriebsspezialisten Maxon Motor in der Schweiz. Beruflich haben sie nichts miteinander zu tun. Und trotzdem verbindet sie etwas: Sie arbeiten als Frauen in einer Männerdomäne.

SMM: Wie ist es dazu gekommen, dass ihr einen technischen Beruf gewählt habt?

Petra Bründler: Naturwissenschaftliche Fächer, Mathematik und logisches Denken mochte ich schon immer. Ausserdem gefiel mir an der Elektronikerlehre der Mix zwischen Schule und Arbeit im Betrieb sowie zwischen Denkarbeit und handwerklichen Aufgaben.

Lynn Braunschweig: Meine Mutter ist eine emanzipierte und starke Frau, Mathematiklehrerin und handwerklich begabt. Als Kind war sie immer mein Vorbild. Durch sie erhielt ich auch den Zugang zur technischen Welt. Später stand ich vor der Wahl Anwältin oder Ingenieurin und entschied mich dann für das Maschinenbaustudium.

Und was fasziniert euch an eurer aktuellen Tätigkeit?

L. Braunschweig: Ich bin Projektleiterin im Bereich Aerospace und im Moment für bürstenlose Flachmotoren zuständig, die auf dem Mars zum Einsatz kommen. Natürlich wollte ich, wie viele Kinder auch, Astronautin werden. Ich fliege jetzt zwar nicht selber ins Weltall, aber immerhin meine Motoren.

P. Bründler: Als Entwicklerin von Embedded Software mag ich es, beim Implementieren komplett in diese abstrakte Welt aus Klassen und Objekten einzutauchen. Dabei vergesse ich alles um mich herum. Mir gefällt aber auch die Teamarbeit. Denn wenn wir verschiedene Ansichten und Ideen zusammenbringen, entstehen die besten Lösungen.

L. Braunschweig: Auch bei uns ist Teamarbeit das A und O. Ich bin täglich mit verschiedenen Fachrichtungen und unterschiedlichen Prozessen konfrontiert und muss mich auf neue Gegebenheiten einstellen. Dabei ist es wichtig, den Überblick zu bewahren und gleichzeitig die Details der Fachstellen zu berücksichtigen. Jeder Tag ist anders, und ich lerne immer wieder Neues.

P. Bründler: Was ich auch schön finde: In meinem Beruf gibt es unzählige Knobelaufgaben zu lösen, und meistens werde ich mit einem schnellen Feedback belohnt: Der Motor dreht – oder eben nicht.

Frauen in technischen Berufen sind auf der ganzen Welt in der Unterzahl. Spürt ihr das in eurem Berufsalltag?

P. Bründler: Als Frau im technischen Bereich fällt man natürlich auf, bleibt im Gedächtnis. Das ist in den allermeisten Fällen aber eher ein Vorteil. Es ist leichter, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und Kontakte zu knüpfen.

L. Braunschweig: Ich habe es ein paar Mal erlebt, dass ich als Frau nicht so ernst genommen wurde wie ein Mitarbeiter, der eine ähnliche Erfahrung und Ausbildung hat wie ich. Aber ich habe dies nicht als negativ empfunden. Im Gegenteil: Es hat mich angespornt, mehr zu leisten und mich zu beweisen. Bei Maxon ist der Frauenanteil relativ hoch. Trotzdem könnten wir durchaus bei den Ingenieuren, Projektleitern und allgemein in Führungspositionen mehr Frauen gebrauchen.

Was läuft denn aus eurer Sicht falsch, dass heute so wenige Frauen in technischen Berufen arbeiten?

L. Braunschweig: Es ist vielleicht nur ein Aspekt von vielen. Aber ich habe das Gefühl, dem Fach Mathematik wird mit Bezug auf technische Berufe zu viel Gewicht beigemessen. Es ist schade, wenn junge Mädchen eine Karriere in der Technik ausschliessen, nur weil Mathematik nicht ihre Stärke ist. In vielen Jobs ist logisches, vernetztes Denken genauso gefragt, wenn nicht sogar wichtiger.

P. Bründler: Viele Mädchen kommen vielleicht gar nicht erst auf die Idee einen technischen Beruf zu ergreifen, da es nicht so naheliegend ist. Zudem liest man in den Medien immer wieder von ungleichen Löhnen, schlechteren Karrierechancen und unflexiblen Arbeitszeitmodellen. Das schreckt mit Sicherheit ab. Andererseits muss ich sagen, dass ich mich persönlich nie negativ betroffen gefühlt habe.

Wie schaffen wir es, mehr Mädchen und Frauen für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern?

P. Bründler: Oberstufen-Lehrer könnten technisch begabten Mädchen vermehrt Schnupperlehren in diesem Bereich vorschlagen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass durch die Aufweichung der Geschlechterrollen in Zukunft mehr Frauen in Technikberufen anzutreffen sind. Hoffentlich ist die aktuelle Thematisierung in den Medien bereits ein erster Schritt dazu.

L. Braunschweig: Nicht nur Lehrer könnten mehr beitragen, sondern alle Eltern mit Töchtern. Sie sollen diese miteinbeziehen, wenn sie in ihrer Freizeit zum Beispiel an einem Motorrad herumschrauben oder etwas reparieren müssen. Und Unternehmen stehen in der Pflicht, moderne Strukturen zu schaffen: also flexible Arbeitszeiten, Home Office oder Teilzeitarbeit.

Habt ihr persönliche Tipps für Frauen, die eine Karriere im technischen Berufsfeld anstreben?

P. Bründler: Wenn man Technik mag und der Fun-Faktor stimmt, kann eigentlich nichts schiefgehen: Just do it! Und von der Männerdomäne sollten sich Frauen nicht allzu stark beeindrucken lassen. Ich selbst habe jedenfalls nur gute Erfahrungen gemacht.

L. Braunschweig: Ich kann jeder jungen Frau eine Karriere in einem technischen Feld empfehlen. Wagt etwas! Zudem bin ich davon überzeugt, dass es die nächste Generation Frauen einfacher haben wird, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen. SMM

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