Rotierende Körperschallmessung Prozessüberwachung beim Fräsen
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In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt wurde eine Prozessüberwachung entwickelt und validiert, welche Werkzeug- als auch Bauteilschädigungen während der Zerspanung robust detektiert.

Die Nachfrage nach kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) ist in den letzten Jahren stark gestiegen und nimmt weiter zu. Grund hierfür sind vorteilhafte Materialeigenschaften wie beispielsweise die hohen spezifischen Steifigkeiten und Festigkeiten, welche über Faservolumengehalt und -ausrichtung im Fertigungsprozess konfiguriert werden. Obwohl die Herstellung von CFK-Bauteilen grosse Fortschritte zur endkonturnahen Fertigung gemacht hat, sind weiterhin zumeist spanende Prozesse zur Realisierung von Bohrungen sowie der Kantenbearbeitung notwendig. Hier kommt es aufgrund der abrasiven Kohlenstofffasern zu starkem Werkzeugverschleiss in Form von Schneidkantenverrundung, Abplatzen der Werkzeugbeschichtung und daraufhin zu unerwünschten Bauteilschädigungen wie Faserüberständen und Delaminationen.
Solche Schädigungen der gefrästen Kante können die Festigkeit eines Bauteils drastisch herabsetzen und müssen daher vermieden werden. In der industriellen Praxis führt dies dazu, dass Fräswerkzeuge rechtzeitig und womöglich vor dem Erreichen des eigentlichen Standzeitendes gewechselt werden müssen. Da die unerwünschten Bauteilschädigungen während der spanenden Bearbeitung nicht detektiert werden können, müssen die Bauteile im Nachgang aufwendig inspiziert und gegebenenfalls nachbearbeitet werden. Ein möglicher Ansatz zur Detektion von Werkzeug- und Bauteilschädigungen während der spanenden Bearbeitung ist die Prozessüberwachung mittels Körperschall.
Am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) wurde ein Demonstrator eines solchen Systems entwickelt. Dabei zeichnet erstmalig ein mit dem Fräswerkzeug rotierender Sensor den in der Zerspanungszone emittierten Körperschall auf. Durch geeignete Signalverarbeitung können Werkzeug- und Bauteilschädigungen detektiert und quantifiziert werden. Der verfolgte Forschungsansatz, die Versuchsaufbauten sowie das Vorgehen zur Parametrierung der Prozessüberwachung werden in diesem Beitrag vorgestellt. Der Artikel schliesst mit einem Ausblick auf die Möglichkeiten zur industriellen Anwendung sowie weitere geplante Forschungsarbeiten ab.
Stand der Technik und Forschung
Körperschallsensoren finden bereits vielfältige Anwendung in der industriellen Fertigung. Hier werden sie vor allem für die Feststellung des Werkzeug-Bauteilkontakts, der Werkzeugbruchüberwachung oder der Detektion von Schleifbrand eingesetzt [UHL13, GAO19, SUN20]. Bezüglich der Anwendung von Körperschallsignalen für die Überwachung von Werkzeugverschleiss und Bauteilschädigungen beim Bohren und Fräsen wurden ebenfalls eine Vielzahl von akademischen Vorarbeiten mittels bauteilseitig montierter Sensoren getätigt. So konnte in mehreren Veröffentlichungen gezeigt werden, dass verschiedene Signalkennwerte, die während der Zerspanung aufgezeichnet wurden, mit dem Werkzeugverschleiss oder der Bauteilschädigung in Zusammenhang stehen [PRA16, WAN17, RIB19, LIA21]. Für die industrielle Anwendung ergeben sich jedoch nach Einschätzung der Autoren vor allem zwei grundlegende Herausforderungen, die mit dem für diesen Beitrag entwickelten Demonstrator adressiert werden. Gemeint sind hier
- die bauteilseitigen Sensoren sowie
- die Parametrierung von Prozessüberwachungen mittels Körperschallsignalen.
Die bauteilseitigen Sensoren bringen den Nachteil mit sich, dass bereits geringe Änderungen im Abstand zwischen Sensor und Zerspanungszone einen drastischen Einfluss auf das aufgezeichnete Signal haben. Aufgrund der Viskoelastizität der Matrix und der Faser-Matrix-Übergänge unterliegt Körperschall in CFK hoher und auch faserrichtungsabhängiger Dämpfung sowie Frequenzdispersion [LOP09, SRE15, WIR19, WU21]. Diese Phänomene lassen die Bewertung und den Vergleich von Körperschallsignalen, welche an unterschiedlichen Positionen im Bauteil emittiert und von einem stationären Sensor aufgezeichnet wurden, zu einer komplexen Herausforderung werden. Ein möglicher Ansatz ist hier beispielsweise die Hinzuziehung weiterer Prozessmessgrössen oder das Anlernen Künstlicher Intelligenzen auf Grundlage ausreichend grosser Datensätze für die jeweilig vorliegende Bearbeitungsaufgabe.
Die Parametrierung von Prozessüberwachungen mittels Körperschallsignalen benötigt aufwendige Zerspanungsversuche für die jeweilig vorliegende Zerspanungskonfiguration und ist somit sowohl zeit- als auch kostenintensiv und stellt damit ein weiteres Hindernis für die industrielle Anwendung dar. In mehreren Analogversuchen konnte allerdings gezeigt werden, dass das Versagen von Werkzeugbeschichtungen spezifische messbare Körperschallsignale emittiert [BEL03, LU13, UHL21]. Auch für Schädigungen in CFK-Bauteilen wurden unterscheidbare Signalpakete beispielsweise im Zug-, Druck- oder Biegeversuch festgestellt [MAR08, HAM13, UHL21]. Während der Zerspanung ist das aufgezeichnete Messsignal durch Spanreibung und Lagergeräusche überlagert, weshalb sich der Ansatz ergibt, die für die Prozessüberwachung relevanten Signalkennwerte und Frequenzbänder anhand von Messdaten aus Analogversuchen zu identifizieren. Diese spezielle Eigenschaft des Körperschalls kann für die Parametrierung ausgenutzt werden.
Versuchsaufbau und Parametrierung von Prozessüberwachungsalgorithmen
Zur Provokation von Schichtbrüchen im Analogversuch wurden beschichtete Proben im Impacttester durch definierte Aufbringung von Impactkräften FI = 80, 100 und 120 N mit je I = 500.000 Stössen geschädigt. Die bei der Schädigung emittierten Körperschallsignale wurden mittels eines auf der Probe angebrachten Sensors vom Typ 8152BQ der Firma Kistler Instrumente GmbH aufgezeichnet. Die Experimente wurden für mikro- und nanokristallin beschichtete Hartmetallproben mit einer Beschichtung des Typs Balinit Diamond der Firma Oerlikon Balzers Coating Luxembourg SARL durchgeführt. Zur Untersuchung der emittierten Körperschallsignale und deren Zuordnung gegenüber unterschiedlicher Schädigungsmechanismen in CFK, wurden speziell präparierte Proben in Zug-, Druck- und Biegeversuchen zerstört. Der dabei emittierte Körperschall wurde mit Sensoren aufgezeichnet, welche an der Probe montiert waren.
Durch die Verwendung von unidirektionalem (UD) CFK sowie geeigneten Geometrien konnten dabei Proben gefertigt werden, in denen bestimmte Schädigungsmechanismen, wie Matrixbruch oder Faserriss vorherrschend sind. Die Fräsversuche wurden auf einer Ultrasonic C260 Composites der Firma Sauer GmbH mit beschichteten Fräsern vom Typ FE100S und T-Rex Z2x2 194H100-TL7 der Firma Hufschmied GmbH durchgeführt. Während der Zerspanung emittierter Körperschall wurde mit einem rotierenden Sensor des Typs AE8005 der Firma Accretech SBS Inc. aufgezeichnet. Der Sensor ist dabei am Werkzeughalter montiert. Die Messsignale werden mit einer Auflösung von r = 15 Bits im Messbereich von mR = ± 2 V digitalisiert. Die Versuchsaufbauten für die Fräsbearbeitung, das Impacttesten und den Biegeversuch sind im Bild 1 dargestellt.
Im Rahmen des Projektes wurden unterschiedliche Ansätze zur Parametrierung von Prozessüberwachungen verwendet. Diese umfassen die Messdaten aus dem Fräsprozess sowie die in Analogversuchen gewonnenen Körperschalldaten. Die Verwendung der Messdaten sowie die Performance der parametrierten Überwachungen wird im Folgenden vorgestellt.
Detektion von Werkzeugverschleiss und Bauteilschädigungen
Zur Detektion der Schneidkantenverrundung wurden Messdaten aus dem Fräsprozess verwendet. Hier hat sich trotz Fräserradiuskompensation mit steigendem Werkzeugverschleiss eine streng monotone Abnahme von Signalkennwerten des Körperschallsignals gezeigt. Bild 2 stellt die emittierten Körperschallsignale AERoh während einer Werkzeugumdrehung dar, wobei das Fräsen mit scharfem und stumpfem Werkzeug gegenübergestellt wird.
Künstliche neuronale Netze erreichen Bestimmtheitsmasse von R2 > 0,95 bei der Detektion von Verschleisszuständen der Werkzeuge sowie Faserüberständen in Bezug zum Werkzeugverschleiss. Diese hohen Genauigkeiten werden erzielt, indem speziell extrahierte Signalkennwerte des Körperschallsignals mit dem jeweils vorliegenden Verschleisszustand parametriert werden. Die Detektion von Delaminationen erfolgt über einen plötzlichen Abfall der Körperschallamplitude, da nur noch mit verringerter axialer Schnitttiefe ap zerspant wird. Die Rohdaten von fehlerfreier Zerspanung im Gegensatz zu der Zerspanung mit aufgetretener Delamination im Bauteil sind in Bild 3 dargestellt.
Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und weiterer Forschungsbedarf
Der Demonstrator sowie die Algorithmen zur Überwachungsparametrierung weisen ein hohes Potential für industrielle Anwendungen auf und werden zukünftig weiter untersucht und entwickelt. In Grundlagenprojekten ist zunächst das Verhalten des Demonstrators für das Bohren, die Mikrobearbeitung oder die Bearbeitung weiterer Werkstoffe zu erforschen. Auch die Untersuchung grundlegend unterschiedlicher Faserversagensmechanismen bei der Hochgeschwindigkeits- und der konventionellen Bearbeitung in Abhängigkeit vom Fasertrennwinkel ist angedacht. Weiterhin ist die Parametrierung der Prozessüberwachung mittels unterschiedlicher analytischer oder numerischer Methoden geplant. Für die industrielle Anwendung konnte gezeigt werden, dass sowohl Bauteilschädigungen als auch der Verschleiss einzelner Werkzeugschneiden prozessparallel überwacht werden kann. Um den Ansatz zur Marktreife zu bringen, aber auch für weitere Grundlagenforschung sucht das IWF derzeit nach Partnern in Industrie und Wissenschaft für die gemeinsame Projektarbeit.
Danksagung
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG für die Finanzierung dieser Forschung im Rahmen des Forschungsprojektes „Entwicklung und Validierung einer Prozessüberwachung mittels Körperschall für das Fräsen von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen“ mit der Projektnummer 420609123.
Literatur
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Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal maschinenmarkt.vogel.de
* Tobias Holznagel und Eckart Uhlmann arbeiten an der Technischen Universität Berlin, Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF), Pascalstrasse 8 - 9, 10587 Berlin, Deutschland. Eckart Uhlmann ist ausserdem für das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, Pascalstrasse 8 - 9, 10587 Berlin, Deutschland tätig.
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