Mapal: Werkzeuge für E-Mobility E-Motor-Gehäuse vertikal drehen
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Der Maschinenhersteller Niles-Simmons und der Werkzeughersteller Mapal haben gemeinsam einen produktiven, für die Serienfertigung geeigneten Prozess zum vertikalen Drehen von Statorgehäusen für Elektromotoren der E-Mobility entwickelt.

Der Wandel in der Automobilindustrie vom konventionellen Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb wird immer deutlicher. Der Maschinenhersteller Niles-Simmons stellt sich diesem Umbruch und beabsichtigt, mit effizienten Herstellungsverfahren künftig zunehmend Maschinen auch für die Branche E-Mobility zu entwickeln. Der überwiegende Teil der in Chemnitz gebauten Maschinen dient der Bearbeitung rotationssymmetrischer Werkstücke. Während hier die Drehbearbeitung im Vordergrund steht, konzentriert sich der Werkzeughersteller Mapal überwiegend auf kubische Bauteile, die gebohrt, gerieben und gefräst werden. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass es zwischen den beiden Unternehmen in der Vergangenheit wenig Berührungspunkte gab. Das änderte sich, als Spezialisten von Mapal beim Maschinenhersteller mit einem als Drehteil bearbeiteten Statorgehäuse für Elektromotoren konfrontiert waren. Bisher hatten sie Feinbohrwerkzeuge für die Bearbeitung solcher Bauteile auf Fräszentren als sehr effizienten, hochgenauen Prozess in der Industrie etabliert.
Drehen, Auf- und Feinbohren
Beide Seiten gewannen schnell den Eindruck, dass mit einer Kombination aus Drehen und Auf- bzw. Feinbohren die Bearbeitung dieses Schlüsselbauteils für die E-Mobilität auf eine neue Ebene gehoben werden könnte. Ein gemeinsames Entwicklungsprojekt war kurzfristig etabliert. Der Maschinenhersteller passte eigens eine Maschine an. Mapal stellte die Werkzeuge für die Vor-, die Semi- und die Fertigbearbeitung zur Verfügung. Topfförmige Bauteile wie Statorgehäuse sind eine sehr häufig eingesetzte Bauform für Elektromotoren in der Automobilindustrie. Das dünnwandige Aluminiumgehäuse ist aussen mit Rippen für den Kühlkreislauf versehen und wird in das grössere Motorgehäuse montiert. «Wir haben hier ein rotatorisches Werkstück mit einer rückseitigen Unwucht, das gedreht werden kann, aber aufgrund der hohen Durchmessergenauigkeit sowie den vom Markt geforderten Form- und Lagetoleranzen auf- und feingebohrt werden muss», beschreibt Gebietsverkaufsleiter André Ranke die Ausgangslage der Entwicklungspartnerschaft. Für die Versuche, die im Rahmen des Projekts bei Niles-Simmons zusammen mit Technikern des Werkzeugherstellers stattfanden, kam kein Kundenwerkstück, sondern ein sogenannter Dummy zum Einsatz, der alle seriennahen Forderungen abbildet. Die Innendurchmesser bewegen sich hierbei im Bereich von 220 bis 231 mm, die Aussendurchmesser zwischen 250 und 260 mm. Es werden innen und aussen Passungstoleranzen im IT6-Bereich gefordert sowie Zylinderformen zwischen 20 und 30 μm. Die Konzentrizität zwischen den unterschiedlichen Durchmessern ist teilweise auf 0,05 mm eingeschränkt.
Fixe Werkzeuge, bewegtes Werkstück
Für die Entwicklung wählte man eine Pick-up-Drehmaschine DZS 315 des in Sachsen ansässigen NSH-Tochterunternehmens Rasoma. Die Maschine ist modular aufgebaut und kann somit für die jeweilige Bearbeitung passgenau konfiguriert werden. Im Versuchsaufbau wurden eine oben angeordnete vertikale Werkstückspindel, eine unten angeordnete Werkzeugspindel, eine Werkzeugkonsole und ein Werkzeugrevolver eingesetzt. Generell können weitere Bearbeitungseinheiten in die Maschine integriert werden und somit alle notwendigen Werkzeuge in der Maschine untergebracht werden, um Rüst- und Nebenzeiten zu minimieren. Die obere Spindel nimmt das Werkstück auf und verfährt es in einer einzigen Aufspannung mit dem Bettschlitten. Die vertikale Bearbeitung bietet zahlreiche Vorteile. Dazu gehören eine platzsparende Verkettung der einzelnen Bearbeitungseinheiten, der optimale Transport von Spänen und Prozesshilfsstoffen sowie eine kompakte Maschinenbauweise mit kleiner Aufstellfläche inklusive eines Pick-up-Systems. «Beim Drehen ist das Pick-up eine übliche Lösung, wie sie bei vergleichbaren Bauteilen heute schon vielfach genutzt wird. Diese Beladung ist für eine automatisierte Grossserienfertigung von Statorgehäusen ideal konzipiert», berichtet Thomas Lötzsch, Verkaufsleiter bei Niles-Simmons. Der entscheidende Vorzug des neu entwickelten Prozesses ist die damit mögliche Steigerung der Produktivität. Auf Anhieb ist es gelungen, die Produktionszeit für das Bauteil im kombinierten Dreh-Bohr-Verfahren gegenüber dem konventionellen Drehprozess um 50 Prozent zu verkürzen. Daniel Pilz, der das Projekt beim Maschinenhersteller leitete, beschreibt, wie die Zeit in den einzelnen Arbeitsschritten eingespart wird, bei denen sich von Fall zu Fall Werkstück, Werkzeug oder beide gleichzeitig drehen. Die erste Station dreht den bislang üblichen Prozess um. Anstatt das Bauteil mit einem drehenden Werkzeug zu schruppen, steht das Werkzeug in der Maschine still, und nur das von oben kommende Werkstück dreht sich.
Innen und aussen simultan bearbeiten
Weil das Werkzeug von Mapal im Gegensatz zu einem herkömmlichen Drehwerkzeug mit vier Schneiden ausgestattet ist, wird für das komplette Vorschruppen der unterschiedlichen Innendurchmesser am Bauteil nur etwa ein Viertel der Zeit benötigt. Im zweiten Bearbeitungsschritt kommt ein vom Maschinenhersteller entwickeltes Glockenwerkzeug für die Aussenkontur in Kombination mit einem Aufbohrwerkzeug von Mapal für die Semischlichtbearbeitung des Innendurchmessers zum Einsatz. Die Innen- und die Aussenseite des Werkstücks werden gleichzeitig bearbeitet. «Die Besonderheit ist, dass ein stehendes Aussenbearbeitungswerkzeug am Spindelgehäuse angebracht ist. Die Spindel treibt das Innenbearbeitungswerkzeug an», beschreibt Daniel Pilz den Aufbau. In den von diesen beiden Werkzeugen gebildeten Ringspalt taucht das Werkstück ein. Mit einer einzigen Vorschubbewegung werden alle Durchmesser hergestellt, hier drei Innen- und Aussendurchmesser. Pro Durchmesser sind vier Schneiden eingesetzt. «Zusammen mit dem Vorteil, dass wir innen und aussen simultan bearbeiten, kommen wir insgesamt auf nur noch ein Achtel der Zeit, verglichen mit konventionellem Drehen», rechnet Daniel Pilz vor. Darüber hinaus ergeben sich weitere Vorteile. Durch die gegenläufigen Schnittkräfte von Innen- und Aussenbearbeitung muss am Spannmittel des Werkstücks ein kleineres Drehmoment gehalten werden. Schwingungen des dünnwandigen Bauteils bei der Bearbeitung werden durch den zeitgleichen Eingriff der Schneiden innen und aussen gedämpft. Die zeitgleiche Innen- und Aussenbearbeitung fand bei diesem Versuch mit einer Schnittgeschwindigkeit von 700 m/min statt. Die Bearbeitung im Sandwichverfahren mit dem Werkstück in der Mitte sorgt dafür, dass das Bauteil während der Bearbeitung stabilisiert wird, weil die Schneiden von beiden Seiten gleichzeitig im Eingriff sind und so das Bauteil führen. Aufwendige Spanntechnik mit Schwingungsdämpfung erübrigt sich damit, was sich bei den Kosten bemerkbar macht. Das glockenförmige Aussenwerkzeug hat der Maschinenhersteller speziell entwickelt und den innovativen Prozess zum Patent angemeldet.
Bewährte Werkzeuge geschickt eingesetzt
Zum Vordrehen dient ein Werkzeug von Mapal, das sich in der Industrie bereits auf horizontalen Bearbeitungszentren zur Innenbearbeitung von Statorgehäusen bewährt hat. Die Fertigbearbeitung übernimmt ein bereits bewährtes, leistengeführtes Feinbohrwerkzeug, mit dem die Mittenbohrung für die Statorlagerung schliesslich komplett inklusive aller Stufen geschlichtet wird. Das dazu eingesetzte Feinbohrwerkzeug gibt es in zahlreichen Varianten. Für die Versuche in Chemnitz wurde eine Schweisskonstruktion mit Schneiden und Führungsleisten aus PKD benutzt. Der Durchmesser ist auf wenige μm genau einstellbar.
Statorgehäuse als Chance
Beim Maschinenhersteller erwartet man, dass die Fertigung von Statorgehäusen für die Elektromobilität den gleichen Stellenwert einnehmen wird wie in der Vergangenheit die Kurbelwellen für Verbrennungsmotoren. Die dafür erwarteten Serien, Taktzeiten und Kosten bewegen sich in einem vergleichbaren Bereich. «Anfragen liegen bei 250 000 Bauteilen pro Jahr», berichtet Geschäftsführer Klaus Kräher. Bis zum Jahr 2030 könne der Bedarf weltweit bei 20 bis 50 Millionen Gehäusen liegen. «Da sind 50 Prozent Zeitersparnis eine Ansage, zumal in unserem neuen Prozess sicher noch Potenzial ist», so Kräher. Neben dem bereits erfolgreich umgesetzten Vertikalkonzept untersucht der Maschinenhersteller auch die Möglichkeit, vorhandene horizontale Maschinen umzurüsten. Hintergrund sind über 300 Drehräum- und Fräsmaschinen für Kurbelwellen, die derzeit weltweit bei Automobilherstellern stehen. Sowohl der innovative Prozess als auch die Werkzeuge von Mapal können auch bei einer horizontalen Variante des Konzepts integriert werden. Hierfür bietet der Werkzeughersteller auch die Möglichkeit, additiv gefertigte Werkzeuge zu nutzen. Sie sind nicht nur leichter, sondern können auch mit einer speziellen Kühlmittelzufuhr versehen werden.
Zusätzliche Anwendungen erschliessen
Über die Bearbeitung von Statorgehäusen hinaus ist der jüngst verwirklichte Prozess auch für weitere Werkstücke aus den unterschiedlichen Branchen anwendbar. Das betrifft unter anderem Kühlkörper für Hybridmotoren, Rohre-Flansche-Kupplungen für die Öl- und Gasindustrie sowie Lager- und Gehäusebauteile für den allgemeinen Maschinenbau. Der vertikale Bearbeitungsprozess mit parallelem Bearbeiten der Innen- und der Aussenseite ist für ein sehr breites Werkstückspektrum mit rohr- und topfähnlicher Geometrie geeignet. Er verwirklicht hohe Genauigkeiten bei Abmessungen, Form und Lage der Durchmesser und erweist sich als hochproduktiv. - kmu - SMM
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