Jochen Diehm, CEO SKF im Interview Nachhaltige Wälzlager schonen Ressourcen und Umwelt

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Wie kann ein Wälzlagerhersteller dazu beitragen, dass die Industrie künftig deutlich effizienter arbeitet, weniger Energie und Ressourcen verbraucht, möglichst keine Schadstoffe ausstösst und somit nachhaltig produziert? Darüber sprachen wir mit Jochen Diehm, CEO der SKF Schweiz in Schwerzenbach.

Jochen Diehm
Jochen Diehm
(Bild: Helen Rese / SKF)

SMM: Mit welchen Erwartungen starten Sie ins Jahr 2023?

Jochen Diehm: Persönlich hege ich zunächst einmal die grosse Hoffnung, dass das Jahr 2023 Frieden bringen möge in der Ukraine und die Menschen dort nicht mehr in der ständigen Angst vor Terror und Gewalt leben müssen. Ich weiss aber, dass Sie nach meinen geschäftlichen Erwartungen fragen. SKF hat sich im vergangenen Jahr einen neuen strategischen Rahmen für sauberes und intelligentes Wachstum gegeben. Wir fokussieren uns dabei auf zukunftsfähige, wachstumsstarke Segmente wie – unter anderen – die Cleantech-Branchen Wind- und Wasserkraft, Railway und Lösungen für den elektrischen Antriebsstrang. Und natürlich adressieren wir die starken Märkte Landwirtschaft, Nahrungsmittel und Fördertechnik. Diese Strategie gibt uns klar den Weg vor und unser Bemühen ist es, die Kunden in der Schweiz weiter von der hohen Qualität der SKF-Produkte und unserer Innovationskraft zu überzeugen, um so gemeinsam mehr Geschäft zu generieren.

Welche speziellen Entwicklungen treibt SKF voran, um den Energieverbrauch bei Maschinen und Anlagen zu vermindern?

J. Diehm: Genau genommen ist es ja seit Gründung der SKF unser Ziel, Reibung und damit Energieverlust zu reduzieren durch immer bessere Lagerlösungen. Jetzt kommt hinzu, dass die Energiewende und die Verkehrswende als die grossen treibenden Entwicklungen hin zur CO2-Neutralität sehr eng mit leistungsfähigen Wälzlagersystemen verbunden sind – von riesigen Rotorlagern für die Windkraft über Wälzlager für Wärmepumpen bis hin zu schnell drehenden Lagern für elektrische Antriebe. Letztere stellen wegen ihrer starken Beschleunigung ja ganz andere Forderungen an Wälzlager als klassische Verbrennungsmotoren. Langlebigkeit von Wälzlagern ist auch ein Thema, um den Rohstoffbedarf zu minimieren. Mit der von uns verwirklichten Zustandsüberwachung können wir zu einer erheblich längeren Nutzungsdauer beitragen. Und natürlich bieten wir eine Wiederaufbereitung bei grösseren und sehr grossen Lagern. Speziell betrifft dies die Anwendungen Railway und Heavy Industry. Wir schaffen damit eine wichtige Brücke in die angestreb­te «Circular Economy». Wir sind also letztlich ein bewusster Ermöglicher einer nachhaltigeren Wirtschaft.

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Wie können Sie Betreiber von Maschinen, speziell Werkzeugmaschinen und Automationsanlagen, dabei unterstützen, energie­effizienter und umweltschonender zu produzieren?

J. Diehm: Ein wichtiger Punkt ist natürlich das Lager selbst, das möglichst reibungsarm und optimal auf die Forderungen der Maschinen ausgerichtet sein muss. Die geplante Laufleistung spielt eine bedeutende Rolle, denn je länger ein Wälzlager hält, desto später muss es ersetzt werden. Das vermindert natürlich den CO2-Ausstoss, der ansonsten bei der Produktion des Stahls und des Lagers anfällt. Durch die Zustandsüberwachung von SKF kann man sehr gut feststellen, ob ein Lager länger hält als zugesichert, und die Wartungs­intervalle entsprechend verlängern. In manchen Anwendungsbereichen arbeiten wir an extrem langlebigen Lagern – zum Beispiel bei den Radlagersätzen für die Eisenbahn und im Bereich der Hochgenauigkeitslager für Spindeln und Werkzeugmaschinen. Unsre neu entwickelten Stähle ermöglichen wesentlich höhere Drehzahlen und Laufleistungen. Bei Wälzlagern für die Eisenbahntechnik beträgt die Laufleistung aktuell etwa 1,3 Millionen Kilometer. Wir streben das Zwei-Millionen-Kilometer-Lager an. Die Wiederaufbereitung habe ich ja als Möglichkeit, den CO2-Ausstoss zu vermindern, bereits genannt. Selbstverständlich muss auf lange Sicht der CO2-Footprint aller Lager drastisch gesenkt werden – bis 2050 wollen wir über die komplette Lieferkette neutral in Bezug auf Treibhausgase produzieren.

Welche Dienstleistungen können Sie über die genannten hinaus rund um Wälzlager bieten?

J. Diehm: Neben Zustandsüberwachung und Wiederaufbereitung rückt zunehmend in den Fokus, dass sich Kunden nicht mehr einzelne Lager kaufen, sondern die verlässliche Rotation. Man spricht da von «Rotation as a Service» oder auch von «REP – Rotating Equipment Perfor­mance». Wir schliessen hierfür sehr langfristige Verträge ab, liefern einen ersten Satz Wälzlager oder übernehmen vorhandene vom Kunden und lassen diese in unseren Remanufacturing-Centern regelmässig durch unsere Spezialisten auf­arbeiten. Der Kunde erhält dann entweder aufgearbeitete oder neue Lager zurück – in jedem Fall aber voll funktionsfähige Lager mit der kompletten Laufleistungsgarantie. Er muss sich um zuverlässige Rotation oder ungeplante Fertigungsausfälle nicht mehr kümmern – das macht SKF für ihn.

Digitalisierung ist in aller Munde. Sie kann dazu beitragen, Stillstandzeiten und Schäden an Maschinen zu minimieren oder sogar zu vermeiden. Welche Produkte und Dienstleistungen rund um Wälzlager kann SKF zur Verfügung stellen, um diese Ziele der Digitalisierung zu erreichen?

J. Diehm: Neben einer Vielzahl an hilfreichen Apps & Digital Tools bieten wir unterschiedliche hochsensible Sensoren zur Schwingungsmessung an. Deren Daten können ganz einfach mobil vor Ort vom Kunden erfasst und mit unserer Hilfe direkt ausgewertet werden. Alternativ können die Daten auch in unserem zentralen Datencenter für Zustandsüberwachung in Hamburg zusammenlaufen und ausgewertet werden. Gemeinsam mit den Kunden werden dann eventuelle Auffälligkeiten besprochen und Wartungsintervalle geplant. Das funktioniert für Produktionsanlagen aller Art und mobil im Railway Business genauso wie bei Windkraftanlagen sowie in Stahlwerken und Papierfabriken.

Welche technischen Innovationen werden wir im Jahr 2023 von SKF erwarten können?

J. Diehm: Für mich ist «RecondOil» das neue, grosse Thema. Wir haben unser Verfahren, mit dem Industrieöle zum Beispiel aus grossen Hydraulikanlagen nahezu endlos im Prozess gehalten werden können, im Jahr 2022 vorgestellt und jetzt rollt der Vertrieb an. Kurz gesagt geht es darum, das Öl im Einsatz immer wieder zum richtigen Zeitpunkt aufzufrischen, statt durch neues Öl zu ersetzen und das verbrauchte Öl teuer zu entsorgen. SKF verfügt über eine patentierte, zweistufige Lösung hierfür: die «Double Separation Technology». Das funktioniert bei Hydraulikölen ebenso wie bei vielen Maschinenölen und spart nicht nur Geld, sondern schont auch die Umwelt. Auch hier ist Circular Economy das passende Stichwort. Wir selbst setzen diese Technologie in unseren eigenen Fertigungsstätten intensiv ein, der beste Beweis, dass es funktioniert.

In welchen Branchen werden Sie mit Ihrem Produktportfolio speziell 2023 besonders aktiv agieren?

J. Diehm: Wir adressieren alle unsere Kunden wie bisher auch und fassen die eingangs erwähnten Wachstumsfelder Railway, Renewable, elektrische Antriebe sowie Maschinenbauer aus der Nahrungsmittelindustrie und dem Bereich Landwirtschaft ganz besonders in den Blick. Ein weiterer Schwerpunkt dreht sich um unsere Neuentwicklungen im Hochpräzisionslagerbereich für Spindeln und Werkzeugmaschinen. Aber natürlich hat SKF neben kundenspezifisch gedrehten Dichtungslösungen auch im Bereich Wälzlager und der mechanischen Antriebstechnik sehr gute Lösungen für alle, die einfach auf zuverlässige Rotation Wert legen.

Herr Diehm, vielen Dank für diese Informationen. Das Interview führte unser Redaktor Konrad Mücke. SMM

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