Wirtschaftliche Abhängigkeit China plant Exportbeschränkungen für Hochtechnologien
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Die Welt hat sich in vielen Wirtschaftsbereichen an den Tropf Chinas gehängt. Nun dreht das Reich der Mitte den Hahn zu. Das wird Auswirkungen nicht nur auf die deutsche Photovoltaik-Industrie haben – und den Kampf gegen den Klimawandel möglicherweise erschweren.

Ähnlich den Chip-Boykotten Washingtons erwägt China den Export eigener Hochtechnologien einzuschränken. Das Handelsministerium in Peking hat eine entsprechende Liste vorbereitet. Darauf stehen verschiedene Silizium-Technologien zur Produktion von Solar-Wafern, von denen weltweit 97% in China hergestellt werden. Auch Technologie zur Herstellung von Lidar-Geräten für das autonome oder assistierte Fahren, Lösungen aus der Biomedizin und andere chinesische Hochtechnologien sollen dem Plan zufolge künftig nur eingeschränkt oder in gewissen Fällen überhaupt nicht mehr aus China importiert werden dürfen.
Besonders die in Vorbereitung befindlichen Exportkontrollen für Technologie zur Produktion von Silizium-Wafern für Solarpanele könnte empfindlichen Schaden für die globale Photovoltaik-Industrie anrichten. In der EU, den USA und Indien gibt es gerade Bemühungen, eigene Solar-Lieferketten aufzubauen, um die Abhängigkeit von Importen aus China zu reduzieren.
Solar-Industrie im Mittelpunkt
Die neuen Exportbeschränkungen aus China könnten den Aufbau eigener Solarenergie-Industrien ausserhalb Chinas erschweren. Wie schmerzhaft die Auswirkungen werden, wird davon abhängen, wie restriktiv Peking den Export bestimmter Herstellungsverfahren und Geräte einschränkt.
Die Wafer-Technologie steht nicht auf der Liste der für die Ausfuhr verbotenen, sondern nur auf der für „eingeschränkte“ Exportgüter, ist also prinzipiell mit Sondergenehmigungen weiter möglich – ganz ähnlich wie bei den Chip-Boykotten Washingtons gegenüber der Volksrepublik China.
Marktbeobachter befürchten dennoch, dass die geplanten Exportbeschränkungen die Kosten für Solarpaneele weltweit in die Höhe treiben könnten. Falls das eintritt, wären sie auch ein Rückschlag für den globalen Kampf gegen den Klimawandel. Auch in diesem Punkt gibt es wieder eine Parallele zu den Chip-Boykotten Washingtons. Die fortschrittlichen Halbleiter, die China gerade durch die USA verwehrt werden, fehlen dort beim Ausbau klimaschützender Industrien wie etwa der für erneuerbare Energien oder der E-Mobilität.
Auf der jüngsten „schwarzen Liste“ Pekings, die noch formell beschlossen werden muss, stehen nun mehrere Kerntechnologien zur Herstellung fortschrittlicher Solarpaneele, darunter für grosse und schwarze, sowie „Cast-mono“-Silizium-Wafern.
Sieben Technologien stehen bislang auf der schwarzen Liste
Insgesamt hat das chinesische Handelsministerium seit Anfang dieses Jahres sieben neue Technologien zu seinem „Catalogue of Technologies Prohibited and Restricted from Export in China“ hinzugefügt. Eine entsprechende Notiz war veröffentlicht worden und die Öffentlichkeit hatte vom 30. Dezember bis zum 28. Januar 2023 Zeit, Einwände zu erheben oder Änderungen vorzuschlagen. Derzeit wird mit Spannung erwartet, wann und in welcher endgültigen Form die Exportbeschränkungen offiziell beschlossen werden.
Pekings Überlegung, anderen Ländern eigene Hochtechnologie zu verwehren, wäre ein „Spiegelbild dessen, was die USA mit Lithografie-Technologie für Halbleiter getan haben“, kommentierte die Asia Times in einer Analyse. China wende die Umkehr der Goldenen Regel an, die besage „was du nicht willst, was man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu“, so das renommierte Wirtschaftsmagazin.
Im Zuge des von Donald Trump begonnenen „Chip Wars“ gegenüber China hatte Washington den Verkauf fortgeschrittener Halbleiter an chinesische Technologiekonzerne wie Huawei verboten. Die aktuelle US-Administration unter Joe Biden hat diese Tech-Boykotte schrittweise ausgeweitet – und tut dies weiter.
USA will Tech-Boykotte gegen China forcieren – China schlägt zurück
Erst Anfang dieses Jahres hatten die USA wieder den Druck auf verbündete Länder erhöht, um die Tech-Boykotte gegenüber Peking weiter zu verschärfen. So war der niederländische Firma ASML schon seit 2019 verboten worden, ihre fortschrittlichsten „Extreme-Ultraviolet“- oder EUV-Lithografiemaschinen nach China zu liefern, die es so nirgendwo anders zu kaufen gibt. Nun fordern US-Beamte von der niederländischen Regierung, ASML auch den Export der etwas älteren DUV-Lithografie-Technologie nach China zu verbieten.
„Solche hegemonistischen Praktiken des „Bullying“ sind eine ernsthafte Verletzung von Marktregeln und stören die internationale Handelsordnung,“ sagte Chinas neuer Aussenminister Qin Gang am 1. Februar in einem Telefonat mit seinem niederländischen Amtskollegen Wopke Hoekstra, in dem es um die Tech-Boykotte Washingtons ging.
Wie du mir, so ich dir
Während die Volksrepublik bei Halbleitern verwundbar ist, so haben chinesische Photovoltaik-Unternehmen wie Longi Green Energy Technology, JA Solar Technology und Trina Solar Co mit staatlicher Hilfe jahrzehntelang enorme Summen in ihre Forschung & Entwicklung investiert und gelten inzwischen bei der Silizium-Wafer-Herstellung als weltweit führend.
Unter anderem waren durch diese chinesische Dominanz und die grossen Volumina ihrer Produktion weltweit die Preise für Solarpaneele drastisch gesunken – aber auch die heimischen Solar-Industrien in den USA und Europa so gut wie komplett ausradiert worden. Das war bitter für die betroffenen Unternehmen, doch für den Kampf gegen die globale Erderwärmung war dieser Preisverfall unbestreitbar auch ein Segen.
Weltordnung voller Protektionismus und Handelsboykotte ist keine Einbahnstrasse
Seit 2011 hat das US-Handelsministerium chinesische Solarpaneele mit Importzöllen bestraft, weil es ihnen „Dumping-Preise“ vorwirft. Angesichts seiner eigenen technologischen Dominanz in dem Sektor sei es für China nun durchaus „legitim“, den Abfluss von Hochtechnologie in dem Sektor in das Ausland zu bremsen, heisst es in einer aktuellen Analyse von Daiwa Capital Markets.
Peking schlägt also mit den geplanten Exportbeschränkungen gerade „zwei Fliegen mit einer Klappe“: Zum einen wird Politikern in den USA, aber auch in Brüssel und Berlin anschaulich gemacht, dass eine neue Weltordnung voller Protektionismus und Handelsboykotte keine Einbahnstrasse ist.
China: Längst mehr als nur das Land der Copycats
China, so das politische Signal der schwarzen Exportliste in Peking, ist kein reines Land der Copycats mehr, das mit Hightech-Boykotten wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden kann. Vielmehr hat die Volksrepublik in den vergangenen zehn Jahren in mehreren Industrien höchst innovative Ökosyteme der Hightech-Fertigung aufgebaut, die sich durchaus für Retourkutschen gegen protektionistische Bestrebungen in den USA, den EU und anderswo eignen.
Die Liste der Güter, die nun vom Pekinger Handelsministerium für den Export eingeschränkt werden sollen, verweist so gesehen fast demonstrativ auf mehrere Schlüsselindustrien, in denen das Ausland mittlerweile fast mehr von China abhängig geworden ist als umgekehrt, darunter die Photovoltaik-Industrie (Silizium-Wafer), die E-Mobilität (günstige und leistungsstarke Lidar-Geräte für die Fahrassistenz) und die zunehmend auch die Biotechnologie (Editieren von Genom-Sequenzen).
Bislang stehen in Peking „nur“ bestimmte Produktions-Technologien für Exportbeschränkungen zur Debatte und noch keine fertigen, in China produzierten Endprodukte. Dennoch sollte die neue Liste des Pekinger Handelsministeriums durchaus als rote Alarmlampe verstanden werden, die gerade sehr grell zu leuchten begonnen hat. (me)
Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal elektronikpraxis.vogel.de
* Henrik Bork ist Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen in Peking.
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